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Das Wurzelwerk-Projekt: Was bestimmt über den Geschmack des Weins – Die Traube oder der Keller?

Das Wurzelwerk-Projekt: Was bestimmt über den Geschmack des Weins – Die Traube oder der Keller? Die Weine

Im Vorfeld der aktuellen Jahrgangspräsentation hat das Weingut Gunderloch am 3. Mai 2025 eine öffentliche Verkostung der Weine des Projekts Wurzelwerk aus dem Jahrgang 2016 angeboten. Es war sofort klar, dass wir diese Gelegenheit nutzen mussten und haben sofort Eintrittskarten erworben.

Das Wurzelwerk-Projekt: Was bestimmt über den Geschmack des Weins – Die Traube oder der Keller? Verkostungsraum

Das Projekt „Wurzelwerk“

Ins Leben gerufen haben das Projekt Max von Kunow (Weingut von Hövel, Saar) Stefanie & Alwin Jurtschitsch (Weingut Jurtschitsch, Kamptal) und Johannes Hasselbach (Weingut Gunderloch, Rheinhessen) in 2012. Mit dem Jahrgang 2016 kam Theresa Breuer (Weingut Georg Breuer, Rheingau) dazu und Max von Kunow ging von Bord.

Das Projekt Wurzelwerk trägt den Untertitel „Die Wurzel & Das Werk“.

Das Ziel ist es zu untersuchen, was nun maßgeblich für den Geschmack eines Weines verantwortlich ist.

Der Saft der Traube, die in einem Weinberg mit dem dazugehörigen Boden und (Micro-)Klima wächst (die Wurzel) oder der Winzer und dessen Keller, in dem der Wein anschließend „gemacht“ wird (das Werk).

Die Wurzel

Um das herauszufinden, stellten die 3 Weingüter den anderen Rieslingtrauben aus hervorragenden Lagen zur Verfügung.

Johannes Hasselbach lieferte Nackenheimer Rothenberg, Theresa Breuer Rauenthaler Nonnenberg und Stefanie Jurtschitsch Zöbinger Heiligenstein. Hierfür wurde ein Zielöchslegrad von etwa 90° vereinbart. Den dazu in etwa passenden Erntezeitpunkt (auch hinsichtlich physiologischer Reife) bestimmten die einzelnen Winzer für sich.

Damit bestimmen im groben folgende Einflussfaktoren „die Wurzel“:

  • (Micro-)Klima während der Wachstumsphase
  • Boden auf dem die Trauben wuchsen (geologische Beschaffenheit, Wasserverfügbarkeit, etc.)
  • Maßnahmen, die der Winzer im Jahr im Weinberg unternommen hat (Pflanzenschutz, Laubmanagement, Ertragssteuerung)
  • Dauer der Wachstumsperiode und Erntezeitpunkt
  • Die Ernte und Auslese der Trauben

Das Werk

Die Trauben wurden nach der Ernte eingemaischt und dann sofort auf die Reise geschickt. Theresa Breuers Team brachte eine Partie ausreichend für einen 300l Tank ins nahe Rheinhessen und eine zweite Partie ins Kamptal zu Jurtschitsch. Den dritten Teil behielt sie bei sich im Rheingau. Die beiden anderen Winzer taten dies genauso.

Man beachte den immensen Aufwand der Aktion mitten in der ohnehin schon arbeitsreichen Ernte!

Das Wurzelwerk-Projekt: Was bestimmt über den Geschmack des Weins – Die Traube oder der Keller? Information

Die Winzer entschieden sich, die Maische auszutauschen, da das bei den komplizierten Weingesetzgebungen der Länder Österreich und Deutschland am unkompliziertesten hinsichtlich Dokumentationspflichten erschien. Für alle Partien (auch die, die im eigenen Weingut verblieb), wurde eine gleiche Maischestandzeit vereinbart, die auf jeden Fall auch die längste Fahrtzeit zwischen Österreich und Deutschland abdeckte.

Nach der Maischestandzeit wurden die Partien dann in den jeweiligen Weingütern gepresst und im Stahltank spontan vergoren. Man vereinbarte die gleiche Handhabung und stimmte auch den Zeitpunkt zur Abfüllung in 0,5l Flaschen miteinander ab.

Damit bestimmen im groben folgende Einflussfaktoren „das Werk“:

  • Verwendete Press- und ggf. Pumptechnik
  • Unterschiede im zeitlichen Ablauf zwischen Ende Maischestandzeit und Füllen des Mosts in den Stahltank
  • Temperaturen und Flora der Mikroorganismen im Keller
  • Dadurch ggf. unterschiedlich lange Gärdauern
  • Schritte und verwendete Technik im Rahmen des Abfüllvorgangs

Die Verkostung

Es entstanden 9 verschiedene Weine, die am letzten Samstag zur Verkostung anstanden:

Rauenthaler Nonnenberg (Die Nonne) von Breuer, Gunderloch und Jurtschitsch

Zöbinger Heiligenstein (Der Heilige) von Jurtschitsch, Breuer und Gunderloch

Nackenheimer Rothenberg (Der Rote) von Gunderloch, Breuer und Jurtschitsch

Das Wurzelwerk-Projekt: Was bestimmt über den Geschmack des Weins – Die Traube oder der Keller? Die Weine

Moderiert wurde die Probe von Johannes Hasselbach, Theresa Breuer und Bettina Koller vom Weingut Jurtschitsch.

Die Probe fand blind in 3 Flights á 3 Weinen statt. Es war bekannt, dass ein Flight entweder von einem Weingut oder einem Weinberg stammt.

Zunächst ein Auszug aus den Notizen von Antje und mir zum 2. Flight:

Wein 4: Nase: Unreife Ananas, Apfel, Zitruszesten Mund: Saftig, klare Frucht, Frische Säure, Kräuter

Wein 5: Nase: Orange, Pfirsich, Kokos Mund: Saftig, kühler als Nr. 4, aber etwas geringerer Säureeindruck, Zitronenzesten, grüne Kräuter

Wein 6: Nase: Pfirsich, gelber Apfel, insgesamt zurückhaltender Mund: Saftig, kühl, klare Frucht (Orange), Feuerstein, Kräuter im Abgang Banane

Insgesamt probierten wir 9 aromatisch unterschiedliche Weine.

Da natürlich der Ehrgeiz da war, zumindest einen Teil der Weine richtig einer Lage und/oder einem Weingut zuzuordnen, achteten wir aber insbesondere auch auf Gemeinsamkeiten in den Flights.

Ich hatte mir vorgenommen auf der Suche nach den Weinbergen auf Gemeinsamkeiten zu achten, die mit Säure und Fruchteindruck zusammenhängen, weil gerade die Menge und Zusammensetzung der Säuren nach allgemeiner Lehrmeinung von Boden und Klima beeinflusst wird:

Flight 1 war recht mild in der Säure mit wenig Frucht und hatte eine eher dunkle Würze mit etwas getrockneten Kräutern.

Flight 2 hatte deutlich mehr Säure und es waren Zitrusfrüchte und -zesten im Spiel. Hier waren die Kräuter grüner und die Gesamtwürze nicht so dunkel wie in Flight 1.

Flight 3 war von der Säure her nicht so weit weg vom 2. Flight, die Frucht aber eher apfelig, der Wein eher salzig hellwürzig statt kräutrig.

Das Ergebnis

So waren wir uns mit einem Großteil der Mitverkoster nach dem 2. Flight einig, dass die Flights nach Weinbergen geordnet waren.

Das war auch so:

Flight 1 war Heiligenstein, Flight 2 Rothenberg, Flight 3 Nonnenberg

Während ich Rothenberg und Nonnenberg verwechselte, lag Antje bei allen 3 Weinbergen richtig in der Zuordnung (Frauen sind halt die besseren Verkoster!).

Heiligenstein war aus unserer Sicht aufgrund des milderen Säureeindrucks und des Schwerpunkts Würze mit trockenen Kräutern am besten zuzuordnen, auch wenn man – wie wir – noch nicht viel Heiligenstein getrunken hat.

Es fehlten einfach Frucht und Säure, die man in den bekannteren Rothenberg und Nonnenberg vermuten musste und in den beiden anderen Flights fand.

Der erste Wein eines Flights war jeweils von Jurtschitsch, der zweite von Gunderloch und der dritte von Breuer.

In unserer Einschätzung verwechselten wir Gunderloch und Jurtschitsch und lagen bei Breuer richtig.

Nach dem Aufdecken verkosteten wir dann nochmal die Weine um Gemeinsamkeiten der Winzer in den jeweils von Ihnen im Keller produzierten Weine herauszufinden. Hierfür blieb nicht ganz so viel Zeit und Menge übrig:

Breuer: etwas dunkler in der Aromatik als die anderen, Feuerstein, etwas wild

Gunderloch: prägnante Kräutrigkeit

Jurtschitsch: ruhigste Aromatik, balsamisch

Auch das passt zur Lehrmeinung: Aromen, die weniger durch Frucht und Säure bestimmt werden, kommen häufig erst während der Gärung durch Hefen und Mikroorganismen in den Wein.

Das Fazit

Eine denkwürdige Probe, die ich für ein vollständiges Fazit noch etwas sacken lassen muss.

Es ist auf jeden Fall so, dass der Geschmack eines Weins sowohl von der „Wurzel“ als auch vom „Werk“ bestimmt wird.

Die Winzer hatten in den letzten Jahren natürlich mehrfach die Gelegenheit die Weine zu verkosten.

Auch sie haben nicht immer alle Weine richtig zugeordnet. Und sie bestätigen, dass über die Jahre der Reife die „Wurzel“ an Prägnanz gewinnt, während das „Werk“ etwas mehr in den Hintergrund tritt.

Den Aha-Moment: „Das muss der Rothenberg aus dem Gunderlochkeller sein“ hatten wir nicht.

Auch kann ich nicht sagen, dass uns die Version eigener Weinberg/eigener Keller immer am besten geschmeckt hat.

Verwunderlich ist das jedoch nicht: Am Ende durften wir noch den „echten“, damals im Verkauf befindlichen 2016er Nackenheimer Rothenberg Riesling GG von Gunderloch und den 2016er Rauenthaler Nonnenberg Riesling Monopol von Breuer kosten.

Beide hatten mit den jeweiligen Wurzelwerk-Weinen wenig zu tun und wir müssten sie genauso aromatisch „abschichten“ wie wir das bei der Wurzelwerk-Probe gemacht haben, um die Gemeinsamkeiten mit den Wurzelwerk-Varianten zu erkennen.

Denn hier waren die Winzer ja ab dem Erntezeitpunkt bis zur Abfüllung frei in ihren Entscheidungen. Die Gebindewahl (z.B. Großes Holz statt Stahl) oder eine andere bzw. keine Maischestandzeit seien nur beispielhaft erwähnt.

Johannes Hasselbach nannte diese Stellschrauben das „Herausarbeiten des einzigartigen Terroirs“.

Das lass ich in diesem Artikel erst einmal so stehen, denn über Aspekte des „Terroir“ möchte ich demnächst ausführlicher berichten.

Vielen Dank an die Winzer für die einmalige Gelegenheit und die spannende Moderation und vielen Dank an das Team des Weinguts Gunderloch für die perfekte Organisation der Wurzelwerk Verkostung.

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