Angaben zu Nährwerten und Zutaten auf Weinetiketten – sinnvoll oder unsinnige Bürokratie?

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Seit 8. Dezember 2023 sind Nährwerte und Zutaten auch bei Weinen und Schaumweinen auf der Flasche anzugeben. Klar hat das zu dem einen oder anderen Aufschrei in der Branche geführt, denn letztendlich ist die Angabe natürlich eine weitere bürokratische Hürde. Auf der anderen Seite ist die neue Vorschrift nichts anderes als eine Vereinheitlichung. Auf Lebensmitteln sind diese Angaben schließlich bereits seit Jahren verpflichtend.

Trotz des verstrichenen Einführungsdatums werden dem Konsumenten die Angaben in diesem Jahr noch selten über den Weg laufen, da für die Pflicht das Produktionsdatum maßgeblich ist. Dieses ist bei Stillwein vereinfacht gesagt auf das Ende der Gärung festgelegt. Da so gut wie alle Weine des Jahrgangs 2023 bis 8.12. fertig vergoren sein sollten, sollten die 2023er am 8.12. bereits als produziert gelten. Damit gilt für den Jahrgang 2023 die Angabepflicht noch nicht.

Anders sieht das bei Sekt aus. Hier ist als Produktionsdatum das Ende der zweiten Gärung in der Flasche/Tank festgelegt. Da die zweite Gärung nicht unmittelbar an die erste anschließen muss, werden wir hier die neuen Angaben insbesondere bei industriell hergestellten Sekten als erstes sehen.

Was anzugeben ist (und was nicht), was die Herausforderungen für die Betriebe sind und was die Angaben für den Genießer bedeuten, fasst dieser Beitrag zusammen.

 

Nährwertangaben

Beispiel einer NährwerttabelleJeder kennt die nebenstehende Nährwerttabelle auf verpackten Lebensmitteln. Die Logik für die Angaben auf Weinflaschen ist dieselbe.

Für jeden Wert in der Tabelle gibt es Mindestwerte, ab denen die Angabe erforderlich ist, und Rundungsmöglichkeiten. Eiweiß, Fett und Salz sind zum Beispiel in Wein nur in so geringen Mengen bzw. gar nicht vorhanden, dass eine Angabe nicht notwendig ist.

Daher wird in der Praxis in der Regel eine verkürzte Tabelle zur Anwendung kommen, die nur Energie, Kohlehydrate und Zucker enthält. Diese wird dann darunter mit folgendem Satz ergänzt: „Enthält geringfügige Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Eiweiß und Salz.“

Grundsätzlich sind sowohl der Zucker als auch der Brennwert keine irrelevanten Angaben.

Als Zucker ist hierbei tatsächlich der Restzucker des Weins anzugeben. Während der Branchensprech in der Regel den Wert mit z.B. 5g/l bezeichnet, ist in der Nährwerttabelle stets der Wert in g/100ml anzugeben. Bei 5g/l wären das also 0,5g.

Damit wäre für den Trinker nun stets der Restzuckerwert transparent. Ein Wert, der ja durchaus gern bei Weinpräsentationen erfragt wird. Da der Wert allerdings auf 0,1 zu runden ist und keine weiteren Nachkommastellen angegeben werden, werden aus 1,5g/l 0,2g/100ml. Die, die es ganz genau wissen wollen, mag das auch nicht zufrieden stellen.

Die Basis für die Ermittlung des Brennwerts herhält der Winzer auch heute in der Regel bereits im Rahmen der üblichen Laboranalyse.

Neben dem Restzucker ist natürlich der Alkohol wesentlicher Treiber des Brennwerts. Aber auch die im Wein enthaltenen Säuren und das bei der Gärung entstehende Glycerin tragen in geringem Maße zum Brennwert des Weins bei.

Glycerin gehört zu den Alkoholen und entsteht durch manche, am Gärprozess beteiligte Hefen. Glycerin ist in besonders hohem Maße in edelsüßen Weinen enthalten und sorgt hier auch für die ölige, dickflüssigere Konsistenz.

Liegen die Werte für Restzucker, Säure, Alkohol und Glycerin vor, lässt sich der Nährwert durch einfache Berechnungstools ermitteln.

Fazit:

Die Nährwertangaben machen aus meiner Sicht durchaus Sinn. Der Restzuckerwert ist für viele Weintrinker eine wichtige Information, um den Geschmack eines Weins besser einschätzen zu können. Auch wenn Profis entgegnen werden, dass das nur eingeschränkt möglich ist und zumindest auch ein Säurewert benötigt wird. Dem stimme ich auch grundsätzlich zu. Dennoch finde ich es manchmal gut zu wissen, ob ein Süßeeindruck im Geschmack eines trockenen Weines eher vom Alkohol, Restzucker oder vom Extrakt herrührt. Da ich künftig dann 2 Werte habe, dürfte die Einschätzung etwas leichter fallen. Über die weitgehende Definition von “Trocken” im Weinrecht habe ich mich hier schon ausführlich ausgelassen.

Und „Kalorienzähler“ freuen sich sicher auch über die Angabe des Brennwerts, was insgesamt den Trend zu alkoholärmeren, trockenen und leichteren Weinen beflügeln könnte.

 

Zutatenliste

Wer sich das Weinmachen als romantische Tätigkeit vorstellt, bei der natürlich gewachsene Trauben gepresst, natürlich vergoren und fassgelagert werden, mag sich nach der Notwendigkeit der Angabe fragen. Trauben und Liebe sind die Zutaten!

Die Realität ist etwas anders.

Bei der Weinbereitung können eine ganze Reihe von Stoffen Verwendung finden. Diese werden im Wesentlichen für folgende Zwecke verwendet:

  • Erhöhung des Alkohols
  • Anpassung der Säure
  • Süßung
  • Konservierung
  • Entfernung von unerwünschten Stoffen bzw. Behandlung von Weinfehlern

Die per se erlaubten Stoffe werden in einer EU-Verordnung einzeln aufgezählt.

Wer will also wissen, ob der Winzer folgende Stoffe bei der Weinherstellung verwendet?

Eichenholzstücke, Aktivkohle, Pflanzenfasern, Kalium-L(+)tartrat (E 336), Kaliumbicarbonat (E 501), Calciumcarbonat (E 170), Calciumtartrat (E354), Kaliumcarbonat (E 501), mikrokristaline Cellulose (E 460), Diammoniumhydrogenphosphat (E 342), Ammoniumsulfat (E 517), Ammoniumbisulfit, Thiaminhydrochlorid, Hefeautolysate, Heferinden, inaktivierte Hefen, inaktivierte glutathionreiche Hefen, Speisegelatine, Weizenprotein, Erbsenprotein, Kartoffelprotein, Hausenlase, Casein, Kaliumcaseinate, Eieralbumin, Bentonit (E 558), Siliciumdioxid (E 551), Kaolin, Tannine, Chitosan (aus Aspergillus niger), Chitin-Glucan (aus Aspergillus niger), Hefeproteinextrakte, Polyvinylpolypyrrolidon,  (E 1202), Calciumalginat (E 404), Kaliumalginat (E 402), Kaliumhydrogentartrat (E 336), Kaliumhexacyanoferrat (E 536), Calciumphytat, Polyvinylimidazol-Polyvinylpyrrolidon-Copolymere (PVI/PVP), Urease, Pectinlyasen, Pectinmethylesterase, Polygalacturonase, Hemicellulase, Cellulase, Betaglucanase, Glycosidase, Sauerstoff (E 948), Hefen, Milchsäurebakterien, Kupfersulfat, Kupferpentahydrat, Kupfercitrat, Allylisothiocyanat

Alle Leser, die diesbezüglich nach Transparenz gesucht haben, muss ich enttäuschen. Die EU-Verordnung trennt die erlaubten Stoffe säuberlich in Hilfs- und in Zusatzstoffe. Die oben genannten Stoffe sind dabei Hilfsstoffe, die nicht als Zutat anzugeben sind, weil sie nicht im fertigen Wein verbleiben. Sie werden entweder abgebaut oder fallen aus.

Ziel des Gesetzgebers ist hier nicht die Transparenz über den „Natürlichkeitsgrad“ eines Weins, sondern tatsächlich nur die Aufklärung über die im fertigen Wein enthaltenen „Zusatzstoffe“. Auch das ist allerdings nicht neu und gilt auch für Lebensmittel. Brot ist hier ein bekanntes Beispiel. Alle Enzyme und Mehlbehandlungsmittel, die im fertigen Brot nicht mehr nachzuweisen sind, müssen auch hier nicht angegeben werden.

 

Auch ohne die Hilfsstoffe ergibt sich noch eine lange Liste an möglichen Weinzutaten, die für verschiedene Zwecke eingesetzt werden und angegeben werden müssen.

KategorieZusatzstoffE-NummerErläuterung
Säureregulatoren 1)WeinsäureE 334Bietet zusätzlich Oxidationsschutz, senkt den PH-Wert am stärksten, für Mostsäuerung daher gute Wahl, obwohl sie zu Weinstein reagiert und dann ausfällt, sodass Gesamtsäure im Wein und der Extraktgehalt wieder negativ beeinflusst werden. Wegen erhöhter Weinsteinbildung ist bei der Säuerung des fertigen Weins auf eine gute Stabilität des Weins zu achten.
ApfelsäureE 296Gibt Weißweinen Frische, fällt bei zu hohem PH-Wert aus, Apfelsäure begünstigt den biologischen Säureabbau und wird im Rahmen dessen auch (teilweise) abgebaut, daher ist bei Mostsäuerung Vorsicht geboten, insbesondere, wenn kein biologischer Säureabbau gewünscht ist.
MilchsäureE 270
Behindert bei Zugabe zum Most ggf. einen biologischen Säureabbau (falls gewünscht), gute Wahl für Weinsäuerung, da nicht ausfallend und mikrobiologisch stabil
CitronensäureE 330Aufgrund der fehlenden Gärungsstabilität insbesondere im Rahmen eines biologischen Säureabbaus eher für die Säuerung eines fertigen stabilen Weins geeignet.
Calciumsulfat
E 516Verwendung bei Likörweinen
Konservierungsstoffe und AntioxidantienSchwefeldioxid
E 220Klassischer Konservierungsstoff für nahezu alle Weine
Kaliumbisulfit, KaliummetabisulfitE 228/
E 224
Ähnliche Wirkung wie Schwefeldioxid, fördert aber Weinsteinbildung, kann zusammen mit Schwefeldioxid auch einfach als "Sulfite" bezeichnet werden
KaliumsorbatE 202Zugabe bei Abfüllung, verhindert Schimmel und Nachgärung, bei Verwendung muss auch gut geschwefelt werden, da sich sonst Milchsäurebakterien vermehren können, die zu einem ungewollten biologischen Säureabbau und einem "Geranienton" im Wein führen können.
LysozymE 1105Das Enzym wirkt hemmend auf die Vermehrung einiger Bakterien. Eine Nutzung während einer (schleppenden) Gärung ist möglich, da Hefen nicht angegriffen werden. Greift allerdings Milchsäurebakterien an und und kann damit genutzt werden, um einen biologischen Säureabbau zu stoppen oder zu verhindern. Da Essigsäurebakterien wie Hefen verschont bleiben, kann die Bildung flüchtiger Säuren verstärkt werden. Verbleibende Enzym(reste) sorgen ggf. für zu hohen Eiweißgehalt, sodass behandelte Weine ggf. mit Bentonit geschönt werden müssen.
L-AscorbinsäureE 300"Vitamin C" verhindert Oxidation im Most vor und während der Gärung und im Wein. Anwendung erfordert Erfahrung, da sie als Antioxidant mit Sauerstoff reagiert und den Wein negativ verändern kann und erhöht die Neigung des Weins zum Böckser. Auf der andern Seite kann Ascorbinsäure zusammen mit Kupfersulfat auch eingesetzt weden, um anderweitig entstandene Böckser zu bekämpfen. Konserviert bei Weißweinen Aromen (reduktiver Ausbaustil) und hilft gegen "untypischen Alterungston" (UTA).
DimethyldicarbonatE 242Zerstört Bakterien und Hefen. Hilft gegen das entstehen von Mäuseln oder Pferdeschweißaromen. Verhindert Nachgärung bei Weinen mit Restzucker und zerfällt zu Methanol und Kohlendioxid.
Komplexbildner--Komplexbildner ziehen andere Inhaltsstoffe an und sorgen so für ein ausfallen. Daher sind die Stoffe dieser Kategorie alles Hilfsstoffe (in der obigen Auflistung enthalten) und nicht im Zutatenverzeichnis zu finden
Aktivatoren für die alkoholische und die malolaktische Gärung--Im Wesentlichen Nährstoffe für Hefen. Da die Hefen die Nährstoffe verstoffwechseln, sind diese Stoffe Hilfsstoffe (in der obigen Auflistung enthalten)und nicht im Zutatenverzeichns zu finden.
Klärhilfsstoffe--Klärhilfsstoffe binden ähnlich wie Komplexbildner andere Stoffe an sich und lassen diese Ausfallen. Daher sind die Stoffe dieser Kategorie alles Hilfsstoffe (in der obigen Auflistung enthalten) und nicht im Zutatenverzeichnis zu finden.
StabilisatorenCitronensäureE 330Verhindert Reaktion mit Metallen und metallischen Geschmack. Verhinderung von Fehlern wie Weißer Bruch/Schwarzer Bruch, Schönung von Eisentrübungen und anderen durch Metalle verursachten Fehler.
MetaweinsäureE 353Zugabe bei Abfüllung, insbesondere bei früh abgefüllten Weinen. Verhindert Ausfall von Weinstein. Ausfall von Weinstein wird für max. 36 Monate verhindert und nur bei Lagerung des Weins bis etwa 20°, daher nur etwas für schnell zu trinkende Weine.
GummiarabikumE 414Verhindert Reaktion mit Metallen und metallischen Geschmack. Verhindert Fehler wie Weißer Bruch/Schwarzer Bruch, stabilisiert Farbe und ist ein "Geschmacksverbesserer". Es macht tanninhaltige oder leicht bittere Weine weicher und runder.
Hefe-Mannoproteine-Verhindert Weinsteinbildung und sorgt für Eiweißstabilität. Wirkt insbesondere geschmacklich und macht Weine "runder" (Da Mannoproteine aus den Zellwänden von Hefezellen hergestellt werden, ist die Wirkung ähnlich wie ein langes Hefelager und kann ein solches simulieren).
CarboxymethylcelluloseE 466Verhindert Weinsteinbildung auch bei höheren Temperaturen, ebenfalls zeitlich nur begrenzt wirksam.
KaliumpolyaspartatE 456Verhindert Weinsteinbildung, wirkt länger als Carboxymethylcellulose oder Metaweinsäure, darf aber nicht verwendet werden, wenn der Wein mit Calciumcarbonat entsäuert wurde, da sich sonst Calciumtartrat bilden kann, das ähnlich wie Weinstein ausfällt.
FumarsäureE 297Verhinderung bzw. Verminderung des biologischen Säureabbaus (z.B. um geringer schwefeln zu können)
Enzyme--Enzyme werden für verschiedene Zwecke eingesetzt. Sie sterben entweder ab oder fallen aus und sind daher nicht als Zusatzstoff anzugeben, sind aber in der obigen Liste der Hilfsstoffe enthalten.
Gase und PackgaseArgonE 938Nutzung zum Oxidationsschutz bei der Abfüllung. Alternativ reicht der Satz "Die Abfüllung kann unter Schutzatmosphäre erfolgen") statt der Angabe des konkreten Gases, außer wenn CO2 bei Perlwein zum Aufperlen genutzt wird.
StickstoffE 941
KohlendioxidE 290
Gärungsmittel--Hefen und Milchsäurebakterien, die während der Gärung absterben und damit nicht im Wein verbleiben. Daher Hilfsstoffe (in der obigen Auflistung enthalten) und keine Angabe in der Zutatenliste
Mittel zur Korrektur von Mängeln--Stoffe, die Weinfehler beseitigen, dann aber ausfallen oder teils mit anderen Schönungsmitteln ausgefällt werden müssen. Da sie am Ende nicht im Wein verbleiben, sind sie keine Zutat, sondern Hilfsstoffe (in der obigen Auflistung enthalten).
Sonstige VerfahrenAleppokiefernharz-Nutzung nur für griechische Retsina-Weine
Karamell-Nur für einige Likörweine
Anreicherung des Mosts zur Alkoholerhöhung vor der alkoholischen GärungKonzentrierter Traubenmost-Eingekochter Traubenmost(-saft), der dann mehr vergärfähigen Zucker enthält als der Most selbst.
rektifiziertes Traubenmostkonzentrat-Traubenmost(-saft), dem mit anderen technischen Verfahren (außer einkochen) Wasser entzogen wurde (verhindert Karamellgeschmack des Einkochens)
Saccharose-Rübenzucker
Süßung nach der alkoholischen Gärung ("Süßreserve",auch bei Prädikatsweinen möglich)TraubenmostHaltbargemachter Traubensaft
Konzentrierter TraubenmostEingekochter Traubenmost(-saft), darf nicht bei Qualitäts- und Prädikatsweinen eingesetzt werden
rektifiziertes TraubenmostkonzentratTraubenmost(-saft), dem mit anderen technischen Verfahren (außer einkochen) Wasser entzogen wurde (verhindert Karamellgeschmack des Einkochens), darf nicht bei Qualitäts- und Prädikatsweinen eingesetzt werden
FülldosageKann aus Rübenzucker, Traubenmost, konzentriertem Traubenmost oder RTK bestehen und dient bei Schaumweinen zum Start der 2. Gärung. Es reicht dann die Angabe Fülldosage ohne die Angabe der verwendeten Stoffe.

1) Man unterscheidet Most- und Weinsäuerung: Mostsäuerung senkt im Moststadium den PH-Wert und reduziert die Bildung von unerwünschten Mikroorganismen, wenn der Most in einem heißen Jahr hohe PH-Werte aufweist. Im Rahmen der Gärung können sich die Säurewerte dann wieder verändern, da Säuren auch abgebaut werden, sodass bei Bedarf die Einstellung der zu schmeckenden Säure in der Regel erst im fertigen Wein stattfindet. Weinsäuerung setzt Erfahrung voraus, da es kein Rezept gibt, welcher Zusatz von welcher Säure welchen Säureeindruck ergibt. Der geschmackliche Säureeindruck im Wein ist auch nicht rein vom Gesamtsäuregehalt abhängig, die Säurearten und die weiteren Weinbestandteile (z.B. Extrakt, Süße) spielen ebenfalls eine Rolle. Bis vor Kurzem war die Säuerung in Deutschland nur zugelassen, wenn diese in einem heißen Jahr ausdrücklich erlaubt wurde. Seit 2022 ist die Säuerung von Most und Wein grundsätzlich erlaubt und nur noch meldepflichtig (Bürokratie!).

 

Was bringt die Angabe dieser Zusatzstoffe nun für mich als Verbraucher?

Der Informationsgehalt ist gering. Aber natürlich kann die Verwendung von Stabilisatoren und einem Teil der Konservierungsstoffe auf eine „intensive Kellerarbeit“ hinweisen.

Die genannten Säuren – Weinsäure, Apfelsäure, Milchsäure, Citronensäure- sind genau wie Saccharose und Schwefel schon natürlicher Bestandteil eines Weins. Gleiches gilt für Traubenmost (Saft). Hat der Winzer jetzt entschieden, zusätzlich etwas zur Erhöhung deren natürlich vorhandenen Gehalts dazuzugeben, ist das aus meiner ganz persönlichen Sicht kein großer Eingriff in den Wein und ist auch in den Top-Anbaugebieten übliche Technik. Daher werden wir diese Zutaten künftig auch auf Flaschen von Top-Produzenten sehen. Denn in manchen Fällen wären die Alternativen: qualitativ schwacher, schlecht verkäuflicher Wein und/oder deutliche Mengeneinbußen mit entsprechend wirtschaftlichen Folgen.

Das Herausfiltern oder Herausfällen von Bestandteilen ist da aus meiner Sicht häufig kritischer. Auch wenn gezielt zum Beispiel eine unerwünschte Trübung entfernt werden soll, nehmen die allermeisten Techniken bei der Schönung auch andere Bestandteile aus dem Wein, sodass der Geschmack in vielen Fällen nach der Schönung weniger komplex sein dürfte.Da aber genau die dazu verwendeten Stoffe als Hilfsstoffe und nicht als Zusatzstoffe gelten, bleibt die Verwendung für den Trinker weiterhin im Dunklen.

Natürlich kann ich mich als Konsument auch auf den Standpunkt stellen, dass auch ohne die entsprechenden Zusatzstoffe jedes Jahr ein Wein zu produzieren ist, der eben eine entsprechende Jahrgangstypizität zeigt. In der Praxis ist das im Detail doch nicht immer so einfach und manchmal ohne Eingriffe auch unmöglich.

 

Unterschiedliche Szenarien haben nur geringen Einfluss auf die Zutatenliste

Exemplarisch und um die Sache für den Laien nicht zu kompliziert zu machen, habe ich im folgenden ein paar Szenarien rund um den “richtigen” Lesezeitpunkt zusammen gestellt und beschrieben, wie ein Winzer in diesen Fällen reagieren könnte:

In Zeiten des allgegenwärtigen Klimawandels ist es für den Winzer in einigen Jahren schwer, den richtigen Zeitpunkt für die Ernte der Trauben exakt zu treffen. Sie sollen vollreif sein, aber noch ausreichend Säure haben und für trockene Weine nicht zu viel Zucker aufgebaut haben. Leseteams sind bei qualitativ hochwertiger Handlese nur begrenzt verfügbar und die Analysewerte des Beerensafts können sich täglich stark verändern – im schlimmsten Fall haben alle Trauben im Betrieb gleichzeitig ihren optimalen Reifezeitpunkt erreicht, die Lesemannschaft ist aber nicht in der Lage alle Weinberge gleichzeitig zu lesen.

Es können nun in verschiedenen Jahren unterschiedliche Situationen entstehen, in denen der Winzer unterschiedlich reagieren kann. Diese Situationen wirken sich nur geringfügig auf die Zutatenliste aus:

WeinbereitungZutaten
Der Winzer liest tendenziell zu früh, die physiologische Traubenreife ist geradeso erreicht, der zu erwartende Alkoholgehalt ist zu niedrig, die Säure zu hoch. Der Winzer reichert daher mit Zucker an und entsäuert den Most und schwefelt bei Abfüllung.Trauben, Saccharose, Sulfite

Die Entsäuerung bleibt unberücksichtigt, da dem Wein etwas entzogen wird.
Der Winzer liest tendenziell zu früh, die physiologische Traubenreife ist geradeso erreicht, der zu erwartende Alkoholgehalt ist okay, die Säure noch zu hoch. Der Winzer entsäuert und schwefelt bei Abfüllung.Trauben, Sulfite

Die Entsäuerung bleibt unberücksichtigt, da dem Wein etwas entzogen wird.
Der Winzer liest frühzeitig, die physiologische Traubenreife ist erreicht, der zu erwartende Alkoholgehalt ist etwas niedrig, die Säure knackig aber in Ordnung. Der Winzer reichert den Most daher mit Zucker an und schwefelt bei Abfüllung.Trauben, Saccharose, Sulfite
Der Winzer liest perfekt und rechtzeitig, der zu erwartende Alkoholgehalt und Säure stimmen, die Trauben haben eine Top-Qualität, der Winzer lässt den Wein in Ruhe vergären und schwefelt bei Abfüllung.Trauben, Sulfite
Der Winzer liest etwas zu spät, der zu erwartende Alkoholgehalt ist ein bisschen zu hoch, die Säure und daher auch der PH-Wert des Mosts ist zu niedrig. Die Qualität der Trauben ist gut.
Zur Sicherung einer einwandfreien Gärung säuert der Winzer bereits etwas den Most und stellt beim fertigen Wein nochmals die Säure etwas ein.
Trauben, Sulfite Apfelsäure und/oder Weinsäure und/oder Milchsäure
Der Winzer liest etwas zu spät, der zu erwartende Alkoholgehalt ist ein bisschen zu hoch, die Säure zu niedrig. Die Qualität der Trauben ist gut. Der Winzer entscheidet trotz des Risikos unerwünschter Prozesse bei der Gärung durch den niedrigen PH-Wert des Mosts nicht zur Säuerung. Dafür schwefelt der Winzer den Most und verwendet zusätzlich Ascorbinsäure, um mehr Stabilität zu erhalten und Aromaschutz zu haben. Trauben, Ascorbinsäure, Sulfite
In der Erntezeit schlägt das Wetter um, die Trauben im Weinberg sind durch Hagel teils angeschlagen und beginnen zu faulen, es erfolgt eine Noternte bei noch ausreichenden Säurewerten und etwas hohen Alkoholwerten.

Aufgrund der schlechten Traubenqualität wird schon im Moststadium Ascorbinsäure zusätzlich zur Schwefelung des Mosts hinzugegeben, um vorzeitige Oxidation zu verhindern und Aromen zu schützen.
Zur Sicherung einer sauberen Gärung bei dem suboptimalen Lesegut gibt der Winzer Reinzuchthefe hinzu.

Der Wein entwickelt während der Gärung einen Böckser (auch aufgrund der geringen Säure/hohen PH-Werts). Daher verwendet der Winzer Kupfersulfat um den Böckser zu entfernen. Das dadurch zugeführte Kupfer muss dann durch die Verwendung von Kaliumhexacyanoferrat wieder entfernt werden.
Der Wein weist ebenfalls aufgrund der Mostqualität weitere geschmackliche Fehltöne auf, deren Verursacher der Winzer zusammen mit Verursachern guter Aromen durch Polyvinylpolypyrrolidon ausfallen lässt. Am Ende schwefelt der Winzer den fertigen Wein. Durch die Mostqualität und das notwendige Entfernen von Bestandteilen (Kaliumhexacyanoferrat und Polyvinylpolypyrrolidon) schmeckt der Wein flacher und weniger komplex als in allen vorhergenannten Fällen.
Trauben, Ascorbinsäure, Sulfite

Alle anderen weitreichenden Maßnahmen bleiben unberücksichtigt, da Hefen und Schönungsmittel am Ende nicht mehr im Wein zu finden sind.

In allen Fällen, abgesehen vom überspitzten letzten Fall, ist der Winzer und der Kunde mit dem entstandenen Wein zufrieden. Auch haben die Weine trotz Intervention auch eine Jahrgangstypizität, schon allein, weil sie unterschiedliche Alkoholgehalte, Extrakte, Zuckerwerte und Säurenzusammensetzungen aufweisen.

Natürlich kann auch hier jeder persönlich die Fallbeispiele anders bewerten. Mag auch sein, dass der Winzer ohne Intervention zu einem akzeptablen Ergebnis gekommen wäre.

Fakt ist aber, dass es anhand der Zutatenliste nahezu unmöglich ist, herauszufinden, mit wieviel „Manipulation“ im Keller ein Wein gemacht wurde. Genauso unmöglich ist es, anhand der Inhaltsstoffe auf den Geschmack oder die Qualität zu schließen.

 

Fazit

Es ist wie beim Brot. Dort steht neben Mehl und Wasser vielleicht Zucker oder Gerstenmalz auf der Zutatenliste. Das ist nett und lässt Rückschlusse auf den Stil zu und schreckt Puristen ab, aber sagt nichts darüber aus, ob das Brot handwerklich mit langer Gehzeit ohne Enzyme und Mehlbehandlungmittel gemacht wurde oder in der Turbo-Industriebäckerei entstand. Die Zutatenliste ist daher in den allermeisten Fällen ohne besondere Aussagekraft und trägt nur sehr bedingt zur Transparenz bei. Vielleicht sorgt sie aber immerhin dafür, dass man als Kunde von Winzerseite das eine oder andere Mal weniger den Satz hört: “Im Keller machen wir gar nichts, außer ein bisschen Schwefeln”.

 

Wo liegen nun die Herausforderungen für die Weinbranche?

Um das Gemecker des persönlichen Lieblingswinzers/-dealers besser verstehen zu können zum Schluss noch ein paar Worte zum Aufwand:

 

Für den Winzer:
Mumm-Sekt mit QR-Code
Der Klick auf das Bild führt zu der hinter dem QR-Code stehenden Seite der Firma Rotkäppchen-Mumm.

Über seine verschiedenen Gebinde und Chargen muss er ein Kellerbuch führen, daher kennt der Winzer die Zutaten. Die Berechnungsgrundlagen für die Nährwerte liefert auch heute schon das Labor. Online gibt es Tools, mit denen aus den Angaben zu Alkohol, Säure, Zucker und Glycerin der Brennwert errechnet werden kann. Der Aufwand ist minimal.

Der erste echte Aufwand ist das Thema Etikettendruck. Da ist zunächst der Erstaufwand, das Etikett ggf. mit einer Agentur so umzugestalten, dass die Tabelle auf das Etikett passt. Das kostet Geld und etwas Zeit. Dazu kommt, dass jeder Jahrgang anders ist, daher benötigt jeder eine neue Tabelle und ggf. angepasste Zutaten. Das heißt, künftig ist jedes Jahr mehr als der Jahrgang und der Alkoholgehalt zu ändern.

Neben dem Druck der Tabelle auf das Rückenetikett kann der Winzer sich auch für die Verwendung eines QR-Codes entscheiden. Das ist neu und definitiv ein Unterschied zu Lebensmitteln.

Entscheidet sich der Winzer für QR-Codes muss er für jeden Wein einen eigenen Code generieren und mit seinem IT-Dienstleister einen abgeschotteten Bereich auf der eigenen Homepage entwerfen und für jeden Wein in jedem Jahrgang eine neue Seite anlegen, die für bis zu 10 Jahre existent sein muss. Gesetzlich gefordert ist nämlich eine strikte Trennung zu eigenen werblichen oder Shopinhalten. Wie zum Beispiel Mumm das gelöst hat, erfährst Du bei einem Klick auf das Bild der Sektflasche. Der QR-Code auf der abgebildeten Flasche verweist ebenfalls auf die verlinkte Seite.

Alternativ oder wenn zum Beispiel keine eigene Homepage vorhanden ist, kann der Winzer hier auch einen Dienstleister beauftragen, der die Informationen separat hostet.

Auch der Aufwand bei Preislisten mit Bestellmöglichkeit und Onlineshops ist nicht zu vernachlässigen. Auch hier sind die Nährwerte und Zutaten künftig verpflichtend anzugeben. Die Listen werden länger, das Porto steigt.

Eine weitere Herausforderung ist der Export: ggf. muss der Winzer dann auch unterschiedliche Sprachvarianten bereitstellen.

Schön und kostenlos ist das Ganze also nicht, insbesondere für kleine Betriebe.

 

Für den Händler:

Während der Winzer jedes Jahr vielleicht 10, 20 oder 30 Weine im Blick behalten muss (endlich mal die Gelegenheit, die Weinliste zu entrümpeln!), potenziert sich das beim Händler auf 500 oder auch 1000 Positionen, zumindest dann, wenn er diese im Onlineshop oder per Katalog vertreibt, denn auch da müssen die Angaben gemacht werden. Da ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten.

 

Ein Hinweis zum Schluss: Die Rechtslage und die Zutaten und deren Verwendung habe ich sorgfältig recherchiert. Dennoch bin ich kein Önologe oder Jurist. Insofern: Wer es aufgrund Ausbildung besser weiß, ist herzlich zu Feedback eingeladen.

 

Weitere Informationen

Lebensmittelinformationsverordnung für alle Lebensmittel

Verordnung bezgl. spezieller Kennzeichnungsvorschriften für Wein

Fragen und Antworten zur Umsetzung der neuen EU-Weinkennzeichnungsvorschriften nach der Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Kommission Delegierten Verordnung (EU) 2019/33

Zugelassene önologische Verfahren mit Zuordnung von Zusatzstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen

Nährwertkalkulator des WBI Freiburg (Excel)

 

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