Eine Abrechnung mit dem deutschen Wein-(bezeichnungs-)Recht und ein Ausblick in eine (vielleicht) bessere Zukunft.
Du bist Weinanfänger, Weinlaie oder trinkst einfach gern einen guten Wein?
Der nächste kompetente Weinhändler ist weit weg?
Du bist (noch) nicht bereit, das große Trinkerdiplom an der Weinhochschule zu erwerben?
Ich will Dir nichts vormachen und sage es direkt vorab: lass am besten die Finger weg von deutschem Wein. Es ist nämlich unmöglich anhand eines Etiketts auf den Stil oder die Qualität des Weins in der Flasche zu schließen. Jede Flasche ist eine Wundertüte!
Allerdings würdest Du großartige Weine einer großen Weinnation verpassen. Eine Zwickmühle quasi. Es hilft nichts. Such Dir einen kompetenten Händler oder Freund, der sein Diplom bereits mit Erfolg abgeschlossen hat.
Es gibt nur eine Alternative: Du musst Dir zumindest eine Studienreife selbst erwerben, um den von Dir favorisierten Weinstil und die passende Qualitätsstufe herauszufinden.
Ich bin ehrlich, ein Diplom wirst Du nach Lektüre des nachfolgenden Artikels nicht abschließen können. Es kommt auf das Verkosten – also Trinken – und das Kennenlernen zuverlässiger Produzenten an.
Im Folgenden beleuchte ich das deutsche Weinbezeichnungsrecht in zwei Ebenen:
- Ich versuche jede wesentliche Angabe des Weinetiketts kurz zu erläutern. Im Unterabschnitt „Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?“ findest Du Anhaltspunkte, die Dir helfen können, Deinen Weinstil trotz der dürftigen Aussagekraft des Etiketts zu finden. Für den Erwerb einer kleinen Trinkerstudienreife reicht die Lektüre dieses Teils.
- Bei dem einen oder anderen Aspekt, der aus meiner Sicht unlogisch ist oder einem konsistenten System im Wege steht, ziehe ich noch mal kräftig vom Leder, gebe zusätzliche Erläuterungen und vertiefe meine Kritik in den entsprechenden Abschnitten. Das ist auch etwas für Leser, die ihr persönliches Weindiplom bereits mit Erfolg abgelegt haben.
In den meisten aufklappbaren Kapiteln findest Du Registrierkarten/Tabs mit den jeweiligen Detailinformationen – auf mobilen Endgeräten mit kleinem Bildschirm solltest Du zumindest im Querformat lesen.
Genug der Einleitung, viel Spaß beim Schmökern.
Alle Erläuterungen verweisen auf die beiden Beispieletiketten:
Links: für einen Qualitätswein bzw. Prädikatswein bzw. einen Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.) (häufigster Fall)
Rechts: für einen Landwein bzw. Wein mit geschützter geografischer Angabe (g.g.A.) (seltener Fall)
Wichtig: Der Winzer ist nicht verpflichtet, vollständige Angaben auf dem vorderen Etikett der Flasche zu machen. Das Rückenetikett ist in den meisten Fällen das, was die vollständigen Angaben enthält.
Die Grundlage: Europäisches und Deutsches Weinrecht
Das Weinetikett ist wie die gesamte Weinerzeugung in der EU eng gesetzlich reglementiert. Dies soll den Markt und die Menge an Wein regulieren (es gibt zu viel Wein in der EU). Zudem soll es für den Verbraucher eine Mindestqualität sicherstellen und es ihm ermöglichen Qualitäten und regional typische Weine zu erkennen. Außerdem soll es Fördermittel lenken. Bezüglich Etikettierung gibt es enge Vorgaben, welche Angaben zu machen sind, gemacht werden dürfen und welche verboten sind. Auch Schriftgrößen und einzelne Begriffe sind vorgegeben. Dabei wird das EU-Recht vom nationalen Weinrecht jeweils ergänzt. In den folgenden Abschnitten gehe ich hier und da auf die gesetzlichen Grundlagen ein. Im Allgemeinen muss sich der Weinkäufer hier nicht tiefer einlesen.
Das ist immer auf dem Etikett und hilft uns nicht wirklich weiter (10), (11), (12)
(10) gibt den Inhalt der Flasche in ml oder l an. Übliche Flaschengrößen sind 0,375l, 0,5l, 0,75l (Standard), 1,5l (Magnum).
(11) steht aufgrund des Allergiepotentials von Schwefel immer auf der Flasche, auch wenn der Winzer sogenannte „Naturweine“ herstellt und auf einen Schwefelzusatz verzichtet. Wein enthält von Natur in der Regel mehr als 10mg/l Schwefel. Nur unter 10mg/l könnte EU-rechtlich auf die Angabe verzichtet werden.
(12) Zur Nachverfolgbarkeit muss stets eine Losnummer auf der Flasche stehen. Bei Qualitäts-/Prädikatsweinen wird hier in der Regel die „amtliche Prüfungsnummer“/A.P. Nr. der verpflichtenden Qualitätsweinprüfung verwendet. Damit kann der Winzer zum Beispiel eine Rückrufaktion starten. In den allermeisten Fällen hilft die Angabe dem Weinfreund nicht weiter. Es kann jedoch vorkommen, dass es von einem Wein mehrere Abfüllungen/Chargen gibt. In diesem Fall sind die Angaben auf dem Etikett bis auf die AP-Nr. identisch, der Wein kann aber etwas anders schmecken. Winzer nutzen das in folgenden Fällen:
- bei großen Mengenweinen, die sich wegen mangelnder Technik oder Platz nicht in einem Schritt cuvetieren (in einem großen Tank zur Abfüllung bereitstellen) und abfüllen lassen
- oder wenn der Winzer zunächst kleinere Partien bewusst zum Beispiel zur weiteren Reife im Holzfass zurückhält und später abfüllt.
Wer hat den Wein gemacht (7)(8)?
Stets anzugeben ist, wer den Wein abgefüllt hat (8). Dies passiert im Normalfall durch Angabe des Namens und der Adresse des Weinguts.
Wichtig zu wissen ist, dass durch die Angabe des Weinguts nicht automatisch darauf geschlossen werden kann, dass dieses Weingut die Trauben für den Wein produziert hat. Sicher ist zunächst nur, dass der Winzer den Wein in die Flasche gefüllt hat. Name und Adresse kann zudem durch eine Betriebsnummer und eine Angabe, wer für den Vertrieb der Weine verantwortlich ist ersetzt werden. Beispiel
Abfüller: D-RP-123456, Vertrieb durch Max Mustermann GmbH, Hauptstr. 1, 63165 Mühlheim
Bei der Beantwortung der Frage, ob der Winzer der den Wein abgefüllt hat auch die Trauben produziert hat, kommt es auf die Angabe vor dem Namen des Winzers an (7):
Angabe | Bedeutung |
---|---|
Abfüller, abgefüllt durch | Der Winzer oder die Weinkellerei hat die Trauben in der Regel nicht selbst produziert. Er hat Trauben oder Wein von anderen Traubenproduzenten zugekauft und den Wein lediglich abgefüllt. |
Abgefüllt für | deutet darauf hin, dass der Wein durch einen Lohnabfüller auf die Flasche gebracht wurde |
Erzeugerabfüllung, Gutsabfüllung | Bedeutet grundsätzlich, dass die Weine in dem abfüllenden Betrieb angebaut und ausgebaut wurden. Die Angabe von „Gutsabfüllung“ hat dabei etwas höhere Anforderungen zum Beispiel hinsichtlich Nachweisbarkeit. |
Schlossabfüllung | Man glaubt es kaum, auch das ist geregelt. Der Begriff darf nur verwendet werden, wenn die Voraussetzungen für eine Gutsabfüllung erfüllt sind, und die Abfüllung in einem denkmalgeschützten Schloss erfolgte. Da haben wir gleich den ersten Knaller: Was hat das Wort im Gesetz zu suchen? Es hat keinerlei Einfluss auf Qualität oder Stil des Weins, ob er in einem modernen Weingut oder alten Schloss abgefüllt wurde. |
Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?
Sofern Du das Weingut und seine Weine nicht kennst, kann Dir die Angabe unter (7) helfen, ein wenig die Qualität einzuschätzen.
Bei Erzeugerabfüllung, Gutsabfüllung und Schlossabfüllung lag in der Regel der gesamte Produktionsprozess in der Hand eines Weinguts. Das heißt der Winzer konnte vom Austrieb der Reben im Frühjahr bis zur Abfüllung des Weins im Winter alle notwendigen Entscheidungen treffen, um den Wein so zu produzieren, wie er sich das vorgestellt hat.
Das steht tendenziell für eine höhere Qualität im Endprodukt, sagt aber nichts über einen Weinstil aus. Und natürlich kann auch Winzer Max als Gutsabfüller sich einen Wein nach niedrigsten Kriterien zusammenbasteln.
Bei der Angabe „Abfüller“ liegt nicht der ganze Produktionsprozess in einer Hand. Es ist erstmal davon auszugehen, dass Weine und Trauben irgendwo in großen Mengen erworben wurden und anonym ausgebaut und abgefüllt wurden. Industriewein quasi. Ohne das Weingut/den Hersteller zu kennen würde ich die Finger von diesen Flaschen lassen. Insbesondere dann, wenn weitere Indizien dazu kommen, die darauf hindeuten, dass das Geschäftsmodell des Abfüllers ausschließlich darin liegt, Trauben und Weine anzukaufen und abzufüllen. In diesen Fällen handelt es sich in der Regel um eine Weinkellerei. Oft findet sich das Wort Weinkellerei oder der Wortbestandteil „kellerei“ dann auch in der Abfüllerangabe. Ein anderes Indiz ist eine durch die Bertriebsnummer verschleierte Abfüllerangabe.
Weintrinker mit bereits bestandenem Weindiplom holen gerade tief Luft und finden natürlich auch Situationen, wo das Wort „Abfüller“ nicht unbedingt auf eine schwache Qualität hindeutet. Na gut, die Situationen gibt es auch, damit das Ganze nicht zu einfach wird:
- Der Winzer füllt zwar regelmäßig eigene Weine als Erzeugerabfüllung oder Gutsabfüllung, hatte in diesem Jahr z.B. aufgrund von Spätfrösten aber nicht genügend eigene Trauben. Daher hat er für manche Weine ausgewählte Partien von anderen Winzern hinzugekauft. Auch kann die Angabe Abfüller in diesem Fall darauf hinweisen, dass es sich um Gemeinschaftsweine mit anderen Winzern handelt, vielleicht ein Jubiläumswein für den örtlichen Weinbauverein oder eine Kooperation unter Schwestern, Paaren, Familien mit zwei Weingütern.
- Der Winzer füllt grundsätzlich eigene Weine als Erzeugerabfüllung oder Gutsabfüllung. In einem besonderen Fall produziert er aber einen Wein zum Beispiel für den Lebensmitteleinzelhandel. Er wäre gar nicht in der Lage, so viele Trauben auf seinen oder gepachteten Flächen anzubauen, um die Menge zu liefern. Bei Weinen, die bei den üblichen Discountern oder Supermarktketten im Regal stehen, ist das fast immer der Fall, da fast kein Winzer die Mengen bieten kann, die eine Kette für den bundesweiten Verkauf benötigt. In diesem Fall bürgt der Winzer, der das anleiert für die Qualität. Das kann gut gehen, kann aber auch im Sumpf einfachster Kellereiweine enden.
Abgesehen davon ist der Produzent selbst die einzige Angabe auf dem Etikett, die es ermöglicht, eine Qualitätspyramide und die Stilistik von Weinen einzuschätzen. Wenn Du den Winzer kennst, oder Du Dich durch sein Sortiment getrunken hast, kennst Du seine eigene Interpretation von Qualität und Stilistik.
Wie süß ist der Wein (5)?
EU-Weit sind grundsätzlich folgende Geschmacksangaben definiert:
Geschmacksangabe | Restzucker (Glukose und Fructose) in g/l |
---|---|
trocken | Max. 4 g je Liter oder Max. 9 g je Liter, sofern der in g je Liter Weinsäure ausgedrückte Gesamtsäuregehalt höchstens um 2 g je Liter niedriger ist als der Restzuckergehalt. |
halbtrocken | Max. 12 g je Liter oder Max. 18 g je Liter, sofern der in g je Liter Weinsäure ausgedrückte Gesamtsäuregehalt höchstens um 10 g je Liter niedriger ist als der Restzuckergehalt. |
lieblich | Max. 45g je Liter |
süß | Mehr als 45g je Liter |
Zusätzlich hat sich im Sprachgebrauch und auf dem Weinetikett noch die Angabe feinherb eingebürgert. Winzer bezeichnen damit Weine, die zwar halbtrocken oder lieblich sind, aber am Gaumen des Winzers eher trocken schmecken. Da es hier keine gesetzliche Definition gibt und man sich auf das individuelle Süßeempfinden des Winzers verlassen muss, ist ein als feinherb deklarierter Wein wieder eine sprichwörtliche Wundertüte.
Die Geschmacksangabe auf einer Weinflasche ist keine Pflichtangabe. Es gibt also Weine, auf denen Du die Begriffe nicht finden wirst. Im Allgemeinen ist aber die Angabe trocken üblich, wenn es sich um trockene Weine handelt.
Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?
Trocken nur wenn trocken draufsteht
Möchtest Du einen trockenen Wein kaufen, dann achte darauf, dass trocken oder Großes Gewächs (GG) bzw. Erstes Gewächs (EG) (siehe entsprechendes Kapitel) auf dem Etikett steht. Das heißt zwar nicht, dass der Wein deutlich trocken schmeckt, aber Du kannst immerhin sicher sein, keinen lieblichen Wein im Einkaufskorb zu haben
Trockener Wein schmeckt nicht immer trocken
Im Gegensatz zu anderen Weinbauländern werden die Kriterien für trocken in Deutschland weit ausgenutzt. Ein Sauvignon Blanc aus dem berühmten Sancerre in Frankreich darf zum Beispiel nur max. 4g/l Restzucker besitzen, ein Pinot Noir (Spätburgunder) aus dem gleichen Gebiet nur 2,5g/l. In Deutschland gibt es keine Definitionen, wie viel Restzucker ein trockener Württemberger, ein Silvaner, ein Westhofener Morstein haben darf. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, um trocken auf das Etikett schreiben zu dürfen findest Du nachfolgend:
Mindestsäure | Maximaler Restzucker |
---|---|
3,5g/l (in der Regel festgelegte Mindestsäure um das Produkt in der Flasche Wein nennen zu dürfen) | 5,5g/l |
4,0g/l | 6,0g/l |
5,0g/l | 7,0g/l |
6,0g/l | 8,0g/l |
7,0g/l | 9,0g/l |
Durch eine gesetzliche Toleranzgrenze von 1g/l können auch Weine mit 10g/l Restzucker noch als trocken bezeichnet werden.
Bei Rebsorten mit hoher Säure (z.B. Riesling) ist ein Ausnutzen des Restzuckerbereichs in vielen Fällen auch noch recht harmonisch. Aber gerade bei Sorten die regelmäßig zwischen 5 und 6 g/l Säure haben, schmeckt der Wein bei voller Ausnutzung des Spielraums häufig eher halbtrocken und oft unharmonisch. Und selbst wenn 9g/l Restzucker harmonisch sein sollten, gibt es einen himmelweiten geschmacklichen Unterschied zu einem Wein mit 2g/l Restzucker aus der gleichen Rebsorte. Also ist bei der Angabe trocken schon wieder nicht auf den Stil oder die Qualität des Weins zu schließen.
Freunde des restsüßen Weins kaufen am besten Prädikatsweine
Bei einem halbtrockenen oder lieblichen Wein empfehle ich, einen Prädikatswein (siehe unter Qualitätsstufen) zu kaufen, da die Prädikate zusätzlich einen Hinweis auf Kraft und Fülle geben.
Nicht als Prädikatswein gekennzeichnete restsüße Weine sind häufig einfachere Vertreter.
Auch das ist natürlich wieder nur eine grobe Richtschnur. Die mit dem Prädikat Beerenauslese versehene Flasche der xy Kellerei, die für 5,99 EUR im Discounter steht, hat geschmacklich mit einer qualitativ hochwertigen Beerenauslese so viel zu tun wie ein deutsches Qualzuchthuhn mit einem französischen Bressehuhn.
Wie viel Alkohol hat der Wein (9)?
Hierbei handelt es sich wieder um eine obligatorische Angabe. Der diplomierte Trinker kann anhand der Angabe in Kombination mit der Geschmacksangabe (trocken-lieblich) tatsächlich ein wenig auf den Stil des Weins schließen. Insofern steckt hier etwas mehr dahinter als nur die Information, wie viel Alkohol man seinem Körper zumutet.
Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?
Abhängig von der Geschmacksangabe lassen sich folgende Schlüsse auf den Stil des Weins ziehen – je absolut niedriger bzw. höher der Alkohol dabei ist, desto deutlicher werden stilistische Unterschiede sein. Daher habe ich einen Bereich von 12-13% ausgelassen.
Geschmacksangabe | Wenig Alkohol (unter ca. 11,5%) | Viel Alkohol (ab ca. 13,5%) |
---|---|---|
Trocken | Positiv: Geschmacklich wahrscheinlich eher leichter Wein, schmeckt etwas kühler, kann aber trotzdem finessenreich und hochwertig sein. Negativ: Wenig Alkohol bedeutet bei einem trockenen Wein oft etwas mehr Restzucker oder eine geringere Reife der Trauben. In Extremfällen kann der Wein daher süßer sein als gedacht oder „dünn“ schmecken. | Positiv: Geschmacklich wahrscheinlich kräftiger, voluminöser, wärmer. Negativ: Alkohol schmeckt süß und lässt auch sehr trockene Weine oft süßer wirken, als sie sind. Viel Alkohol kann unharmonisch wirken und den Wein brandig(schnapsig) wirken lassen. |
Halbtrocken/lieblich | Klassische Süßweine werden in Deutschland häufig alkoholarm ausgebaut. Daher sind Werte von 6-9% bei qualitativ hochwertigen Weinen durchaus ein zusätzliches Qualitätszeichen. Es ist in der Regel kein Zeichen von zu geringer Reife, da bewusst viel Zucker unvergoren bleibt und eben nicht zu Alkohol umgewandelt werden soll. | Für das halbtrockene Segment gelten die Ausführungen zu trockenen Weinen Liebliche/Süße Weine mit hohem Alkohol sind eher untypisch in Deutschland. In der Tendenz sind sie weniger finessenreich und wirken noch süßer als Weine mit geringerem Alkohol. |
Keine Geschmacksangabe auf der Flasche | Ein Alkoholgehalt von unter 11% weist in den meisten Fällen auf einen restsüßen Wein hin | Ein Alkoholgehalt von über 13% weist in den meisten Fällen auf einen trockenen Wein hin |
Welche Rebsorte wurde verarbeitet (2)
In Deutschland ist es Tradition, Weine sortenrein auszubauen. Cuvées, wie sie zum Beispiel im Bordeaux und in vielen Regionen Italiens üblich sind, gibt es selten. Insgesamt sind in Deutschland rund 300 verschiedene Rebsorten zugelassen, davon einige im sogenannten Versuchsanbau (jede neue Rebsorte muss zunächst zum kommerziellen Anbau zugelassen werden). Rebsorten haben grundsätzlich ein eigenes Geschmacksprofil. Jeder Weinkonsument entwickelt hier über die Jahre seine Vorlieben und Abneigungen.
Eine Aufzählung der jeweils typischen Eigenschaften von Rebsorten würde hier jeden Rahmen sprengen. Auch sind diese „typischen Eigenschaften“ nicht bei jedem Wein der Rebsorte spürbar. Nachfolgend zwei Beispiele für einen trockenen Wein:
Rebsorte | Typisch | Untypisch aber durchaus anzutreffen |
---|---|---|
Riesling | - Frische Säure - Kühle Aromatik - Allerlei meist süße und reife gelbe Früchte wie Pfirsich und tropische Früchte | - Zurückhaltende Säure (z.B. nach biologischem Säureabbau) - Bei hohem Alkohol gern warme Aromatik - Bei sehr trockenen Rieslingen eher Apfel und Birnenaromatik als süße gelbe Früchte |
Spätburgunder | - Für Rotwein eher Säurebetont - Hellrote, etwas transparente Farbe im Glas - Saubere, eher kühle Fruchtnoten nach schwarzen Beeren oder Kirschen - Feine Tannine - Im Vergleich zu anderen Rotweinen feiner und weniger Kraftvoll | - Kraftvoll mit süßer Frucht (z.B. durch viel Alkohol oder Restzucker) - Kräftige Tannine (z.B. durch neue kleine Holzfässer oder sehr frühe Ernte) - Kräftige Farbe (Beimischung dunkler Rebsorten zu einem kleinen Teil ist zulässig ohne Deklaration bis 25%) |
Grundsätzlich sollte man davon ausgehen können, dass sich aus jeder Rebsorte gute und sehr gute Weine keltern lassen. Dennoch gibt es natürlich Rebsorten, die häufig mit besonderer Qualität in Verbindung gebracht werden. Das hat folgende Gründe:
- Aufgrund von Traditionen gibt es für einige Sorten teils eine generationenübergreifende Erfahrung, wie sich am jeweiligen Standort besonders gute Weine aus der Rebsorte produzieren lassen
- Manche Standorte sind für einige Sorten besser oder schlechter geeignet
- Hochwertige Weine zu produzieren ist natürlich teurer, als einfache Weine herzustellen. Die deutsche Weintrinkerschaft ist aber nicht bereit, für jede Rebsorte jeden Preis zu bezahlen. Bei beliebten, für hohe Qualität bekannten Rebsorten (z.B. Riesling), ist es einfacher, angemessene Preise zu erzielen, als für weniger beliebte Sorten. Insofern lässt sich Qualität für den Winzer nicht immer monetarisieren, auch weil der Markt gewisse Rebsorten bevorzugt.
- Im absoluten Highend-Bereich wird neben den oben genannten Faktoren dann am Ende aber doch auch das eigene Potential einer Rebsorte hinsichtlich Komplexität der Aromatik eine gewisse Rolle spielen, sprich: einen Weltklasse Müller-Thurgau wird es voraussichtlich nicht geben, Weltklasse Rieslinge hat Deutschland selbstverständlich heute.
Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?
Die Rebsorte ist in Deutschland ein zentrales Thema. Daher musst Du beim Weinkauf darauf achten, welche Rebsorte Du einkaufst. Hast Du einen Pro-Tipp bekommen Weine aus einem bestimmten Ort (z.B. Nierstein in Rheinhessen) oder einer bestimmten Lage (z.B. Julius-Echter-Berg in Franken) zu probieren, musst Du mindestens dazu noch die Geschmacksrichtung und die Rebsorte erfragen, um etwas einigermaßen Vergleichbares zu bekommen.
Es hilft außerdem nichts: Durch die wesentlichen Rebsorten eines Landes oder Anbaugebiets sollte sich der interessierte Trinker einmal durchprobieren um ein eigenes Geschmacksprofil zu entwickeln. Wer wenig Säure mag, ist mit Riesling in der Regel schlecht beraten. Wer auf schwere Rotweine steht, für den ist Spätburgunder wahrscheinlich nicht passend. Aber dennoch: Du solltest offen bleiben, denn zum einen ist die Vielfalt innerhalb einer Rebsorte immens, zum anderen ändern sich auch die persönlichen Präferenzen über die Jahre.
Weitere Erkenntnisse:
- Cuvées sind zwar weniger üblich, müssen aber nicht schlechter sein (ansonsten wäre Bordeaux nie erfolgreich)
- In einigen Anbaugebieten dominieren wenige Rebsorten das Geschehen: Mosel und Rheingau: Riesling, Ahr: Spätburgunder. Das beruht auf langen Traditionen, insofern sollten das für Deinen Genussausflug jeweils die Anker sein.
Aus welchem Jahrgang stammt der Wein (4)
In den allermeisten Fällen findet sich eine Jahrgangsangabe auf der Flasche. Sie bezeichnet das Erntejahr. Ein Neuer Jahrgang kommt in der Regel in der ersten Jahreshälfte des Folgejahrs auf den Markt, in Einzelfällen aber auch im gleichen Jahr oder auch erst später. Rotweine kommen in der Regel später in den Verkauf, da sie länger im Holzfass gelagert werden, bevor sie in die Flasche abgefüllt werden.
„Haltbarkeit“ von Weinen
Die „Haltbarkeit“ eines Weins lässt sich schwer einschätzen. Zurecht ist kein Haltbarkeitsdatum auf der Flasche angegeben. Der vorhandene Alkohol sorgt dafür, dass der Wein nicht wie ein Steak verdirbt und zu einer Gefahr für den Trinker wird. Daher gilt auch bei Funden alter Weine in Opas Keller erstmal “probieren vor wegschütten”.
Hochwertige süße Prädikatsweine (Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein) sind bei guter Lagerung quasi unbegrenzt genießbar, auch wenn Sie nach 50 Jahren natürlich nicht mehr so schmecken wie direkt nach der Abfüllung.
Trockene Weine würde ich grob wie folgt kategorisieren, Ausnahmen bestätigen die Regel:
Einfache Weine bis 10 EUR | Jahrgang plus 1-3 Jahre, ganz einfache Weine sollten im Jahr nach der Ernte getrunken werden |
Mittleres Segment 10-30 EUR | Jahrgang plus 3-6 Jahre |
Topsegment | Jahrgang plus 5-10 Jahre |
Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?
- Guter oder schlechter Jahrgang: In Weinnerdkreisen wird gern darüber diskutiert. In Zeiten des Klimawandels gibt es aber nur noch ganz wenige wirklich schlechte Jahrgänge in Deutschland. Seit 2010 würde ich nur 2010 und 2014 als tendenziell schlecht einstufen. Im Basissegment werden schwächere Jahrgänge durch Kellertechnik und Schönung der Weine im Regelfall passend gemacht. Im Top-Segment sorgt die Winzererfahrung auch in schwachen Jahren für sehr gute Weine. Insofern kannst Du Dich da langsam herantrinken. Nur bei großen Panikkäufen solltest Du vorab schauen, ob das im jeweiligen Jahrgang für Dich Sinn macht. Ansonsten sollte der Jahrgang eher nur für Freaks ein Qualitätskriterium sein.
- Wann ist der Wein trinkbar: In Deutschland rufen alle nach dem aktuellsten Jahrgang. Bei einfachen Weinen ist das die richtige Strategie. Ab etwa 10 EUR die Flasche rate ich dringend dazu, einem Wein etwas Zeit zu geben. In den Monaten nach der Abfüllung sind Weine häufig „füllkrank“ und schmecken zum Beispiel nach Eisbonbon oder plakativ fruchtig. Danach hat ein Wein eine jugendliche frische fruchtige Phase, die ich auch ganz gern noch überspringe. 2-3 Jahre nach Ernte sind die Weine für mich oft am schönsten. Zu diesem Zeitpunkt ruhen die Weine etwas mehr in sich und haben eine jugendliche Wildheit abgestreift. Große Weine jenseits von 20 EUR können auch noch länger reifen, sofern der Lagerort eher kühl und dunkel ist.
Sobald Du die ersten höherwertigen Weine für Dich entdeckt hast, solltest Du von dem einen oder anderen Wein gleich eine 6er-Kiste kaufen und jedes Jahr eine Flasche aufmachen. So findest Du heraus, ob Du eher jugendliche oder angereifte Aromen magst.
Zu lange würde ich meine Schätze gerade als Anfänger nicht warten lassen. Es wurden sicher schon mehr Weine entsorgt, weil sie nach Jahren doch nicht mehr gut schmeckten, als Weine, die eine zu jugendliche Aromatik aufwiesen.
Welche „Qualitätsstufe“ hat der Wein (Weinkategorien) (3,6)?
Das EU-Weinrecht basiert auf einer Qualitätspyramide, die in Frankreich bereits längere Tradition hat. Auch in Deutschland wurden die europäischen Rechtsbegriffe über die deutschen traditionellen Begriffe gelegt.
Die europäischen Weinkategorien
Um das System zu erläutern vergleiche ich in den Details das deutsche System mit dem französischen. Daher finden sich in der folgenden Basistabelle auch die Begriffe aus Frankreich
Qualitätsstufe | Begriff nach EU-Gesetzgebung | Begriffe in Deutschland | Begriffe in Frankreich |
---|---|---|---|
Basisqualität | Wein ohne geografische Herkunftsbezeichnung | Wein aus der Europäischen Union /Deutscher Wein | Wein aus der Europäischen Union /Vin de France |
Mittlere Qualität | Wein mit geschützter geographischer Angabe g.g.A. | Landwein | Indication Géographique Protégée (IGP), früher Vin de Pays |
Top-Qualität | Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung g.U. | Qualitätswein und Prädikatswein Prädikate: Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese, Eiswein | Appellation d’Origine Protégée (AOP), früher Appellation d’Origine Contrôlée (AOC) |
Während man sich in Frankreich also den Übersetzungen der europäischen Begriffe bedient, ist man in Deutschland (noch) nicht soweit und nutzt die traditionellen Begriffe.
Deutsche Traditionen im Rahmen der g.U.
In der Top-Kategorie „g.U.“ wird in Deutschland zusätzlich in Qualitätswein und Prädikatswein mit unterschiedlichen Ausprägungen unterschieden.
Jeder Qualitätswein ist in der Kategorie g.U.. Qualitätswein unterliegt der Qualitätsweinprüfung, bei der 100% der Chargen analytisch und organoleptisch geprüft bzw. verkostet werden. Prädikatsweine, auch Qualitätswein mit Prädikat genannt, dürfen als zusätzliche „Qualitätsanforderung“ nicht angereichert werden, um den Alkohol zu erhöhen. Anreicherung bedeutet, dass dem gepressten Most Zucker zugegeben wird, der dann zusätzlich von den Hefen verstoffwechselt wird und dafür sorgt, dass mehr Alkohol im Wein entsteht. Hierbei gibt es gesetzlich klar definierte Obergrenzen. Mehr über die Gründe einer Anreicherung findest Du im Kapitel zu den Prädikatsweinen.
Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?
Machen wir es kurz: Kauf einen Qualitätswein oder Prädikatswein wenn der Wein trocken sein soll. Wie weiter oben schon erläutert, achte zusätzlich darauf, dass auch trocken auf dem Etikett steht. Es spielt für die Weinqualität keine Rolle, ob eine Anreicherung stattgefunden hat oder nicht.
Kauf einen Prädikatswein, wenn Du einen süß schmeckenden Wein haben möchtest, da die Prädikate grundsätzlich einen gewissen Rückschluss auf die Stilistik zulassen. Details zu den Prädikaten findest Du weiter unten.
Lass Landweine und „Deutsche Weine“ liegen, wenn Du das Weingut und den Grund der Einstufung nicht kennst.
Hast Du damit echte Qualität gekauft? Nein, Du wirst feststellen, dass es Qualitäts- und Prädikatsweine schon für wenige Euro gibt. Diese erfüllen Grundanforderungen an Qualität, bürgen aber häufig nicht für gute Qualität. Eine echte Qualitätspyramide, bei der der Käufer schon mit Blick auf das Etikett weiß, ob der Wein hochwertig ist, gibt es nicht. In den nächsten Abschnitten erläutere ich die Kategorien und die unbefriedigende Situation in Deutschland. Gerade letztere ist kompliziert. Daher wird es lang – bitte nur nachlesen, wenn Du es für Dein Trinkerdiplom brauchst.
Detailwissen: Was sind die wesentlichen Merkmale der einzelnen Kategorien in Deutschland
Wein aus der europäischen Union
Die Trauben/Weine in der Flasche kommen aus mehreren EU-Staaten, die Qualitätsanforderungen sind extrem niedrig.
Nutzung:
Einfache Großmengenabfüllungen ohne besondere Qualität. Bei Qualitätsprodukten mit deutscher Beteiligung kommt der Begriff höchstens dann zum Einsatz, wenn der Winzer mit einem befreundeten Winzer aus einem anderen EU-Land einen gemeinsamen Wein macht oder Trauben grenzüberschreitend angebaut werden.
Deutscher Wein
Der Wein kann aus einem oder mehreren deutschen Anbaugebieten kommen. Auf dem Etikett darf der Jahrgang angegeben werden. Eine Region oder Weinlage darf nicht angegeben werden. Eine Rebsorte darf dann angegeben werden, wenn es eine andere ist als die hauptsächlich in Deutschland verwendeten. Wahnsinn eigentlich. Es wird dem Verbraucher nicht zugetraut, anhand der Bezeichnung „Deutscher Wein“ und jeglicher fehlender Regions- oder Lagebezeichnung festzustellen, dass es sich um eine einfache Qualitätsstufe handelt. Man wollte hier unbedingt die „wichtigsten Rebsorten“ schützen. Diese sind: Frühburgunder, Lemberger, Portugieser, Silvaner, Spätburgunder, Trollinger, Dornfelder, Grauburgunder, Müller-Thurgau, Schwarzriesling, Elbling, Gutedel, Riesling, Roter Riesling, Traminer, Weißburgunder.
Das heißt, es ist möglich, Chardonnay 2021, Deutscher Wein aufs Etikett zu schreiben. Hat man aber einen Riesling gekeltert, den man als Deutschen Wein vermarkten möchte, muss sich die Kellerei oder der Winzer einen Phantasie- oder Markennamen einfallen lassen z.B. Sommerwein 2021.
Eine weitere wesentliche Einschränkung für die Kategorie bezieht sich auf die mögliche Anreicherung des Weins. Ein Wein darf durch die Zugabe von Zucker vor Vergärung grundsätzlich angereichert werden, um den Alkoholgehalt zu erhöhen. Primär dient das dazu, um den Wein in schlechten Jahren geschmacklich zu verbessern, kraftvoller werden zu lassen. Die Methode wird aber durch die Winzer individuell auch in besseren Jahren genutzt. Je nachdem, wie der Winzer den idealen Erntezeitpunkt bestimmt und was ihm im Endprodukt geschmacklich wichtig ist. Bei „Deutschem Wein“ ist die Anreicherung auf max. 11,5% Gesamtalkohol (also bezogen auf Weine mit 0g Restzucker, bei bestehendem Restzucker entsprechend weniger Alkohol) bei Weißweinen und 12 % bei Rotweinen begrenzt (in Baden 0,5% mehr).
Nutzung:
Einfache Großmengenabfüllungen ohne besondere Qualität. Bei Qualitätsprodukten kommt der Begriff höchstens in zwei Fällen zum Einsatz
- wenn der Winzer mit einem befreundeten Winzer aus einem anderen Weinbaugebiet einen gemeinsamen Wein macht.
- Wenn der Winzer besondere Experimente wagt und auch die Kategorien für Landwein nicht einhalten kann (z.B. hinsichtlich Fehlerfreiheit – auch Fehler können Definitionsfrage sein).
Landwein
Landweine besitzen eine sogenannte „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A.). Dies ist ein europäisches Zertifikat, das das Produkt schützen soll (eine Art Markenschutz) und dem Konsumenten ein einwandfreies Produkt mit einer echten regionalen Herkunft garantieren soll.
Vor Einführung des EU-Rechts dienten die Landweingebiete eher dazu, um bereits bestehenden traditionellen Weinbau außerhalb der für Qualitätswein zugelassenen Gebiete zu legalisieren. Die festgelegten und quasi nicht änderbaren Qualitätsweingebiete sollten in der seltsamen deutschen Logik die „Garantie“ für Qualität sein und die dort nicht berücksichtigten Flächen eben Landwein (ebenfalls in quasi nicht veränderbaren geografischen Grenzen).
Aber auch in der Vergangenheit waren die Flächen der Qualitätsweinbaugebiete in die Landweingebiete inkludiert, sodass auch Qualitätsweine abgestuft und als Landwein vermarktet werden konnten. Mit der europäischen Gesetzgebung ist es einfacher geworden g.g.A. und g.U. eintragen zu lassen. Sofern die Weinbaubehörde die neuen Weinbauflächen genehmigt hat, kann sich eine Schutzgemeinschaft der Erzeuger gründen und ein neues Landweingebiet anstreben.
Folgende deutsche Landweingebiete wurden bisher bei der EU eingetragen:
- Ahrtaler Landwein
- Badischer Landwein
- Bayrischer Bodensee-Landwein
- Brandenburger Landwein
- Landwein Main
- Landwein der Mosel
- Landwein Neckar
- Landwein Oberrhein
- Landwein Rhein
- Landwein Rhein-Neckar
- Landwein der Ruwer
- Landwein der Saar
- Mecklenburger Landwein
- Mitteldeutscher Landwein
- Nahegauer Landwein
- Pfälzer Landwein
- Regensburger Landwein
- Rheinburgen-Landwein
- Rheingauer Landwein
- Rheinischer Landwein
- Saarländischer Landwein
- Sächsischer Landwein
- Schleswig-Holsteinischer Landwein
- Schwäbischer Landwein
- Starkenburger Landwein
- Taubertäler Landwein
Zu jedem Landweingebiet gibt es ein offizielles Dokument mit Produktspezifikationen, die bei der Produktion eines solchen Weins einzuhalten sind. Diese beinhalten u.a.:
- Zugelassene Flächen
- Zugelassene Rebsorten
- Zugelassene Geschmacksrichtungen (in vielen Landweingebieten sind liebliche und süße Weine nicht erlaubt)
- Hektarhöchsterträge
- Mindestmostgewichte
- Aussagen zu „Fehlerfreiheit“
- „Zucker-Alkohol-Verhältnisse“
- Grenzwerte für flüchtige Säure (Essig- und Mostnoten)
Die Einhaltung der Produktspezifikationen wird durch Stichprobenkontrollen staatlich kontrolliert. Inhaltlich geben die Spezifikationen nicht viel her. Außer ganz grundsätzlichen Rahmenbedingungen ist hier nichts enthalten, was auf eine Qualität oder einen Weinstil hinweisen könnte.
Alle Produktspezifikationen enthalten die aus dem deutschen Weinrecht kommende Einschränkung der Anreicherung auf max. 11,5% Gesamtalkohol (also bezogen auf Weine mit 0g Restzucker, bei bestehendem Restzucker entsprechend weniger Alkohol) bei Weißweinen und 12 % bei Rotweinen (In Baden 0,5% mehr). Diese Einschränkung ist im Prinzip ein Ballast aus der deutschen Historie. In kälteren Jahren war der bei der Ernte vorhandene Zucker und damit bei trockenen Weinen ein hoher Alkoholgehalt das schlagende Argument für Qualität. Schließlich gab es Jahre, in denen in manchen Gebieten die Trauben gar nicht reif wurden. Auch in den neusten Weingesetzanpassungen wird Deutschland diese Altlast nicht los. In Sachen Landwein gab es jedoch ein wenig Bewegung. Wenn sich die Schutzgemeinschaft dazu entscheidet, darf sie die Produktspezifikation anpassen und die Grenzwerte um 1% erhöhen. Das ist aus meiner Sicht wichtig, da eine Anreicherung insbesondere bei trockenen Weinen gang und Gäbe ist. Sie wird durch die Winzer individuell genutzt, je nachdem, wie der Winzer den idealen Erntezeitpunkt bestimmt und was ihm im Endprodukt geschmacklich wichtig ist. Entsprechend zurückhaltend eingesetzt ist sich die Weinwelt auch weitgehend einig, dass die Anreicherung der Weinqualität eher nutzt statt schadet. Daher, was soll die Einschränkung überhaupt? Sie gehört aus dem Gesetz gestrichen.
Qualitäts- und Prädikatswein
Rechtlich ist die Lage bei den Qualitäts- und Prädikatsweinen ganz ähnlich wie bei den Landweinen.
EU Rechtlich handelt es sich um sogenannte geografische Ursprungsbezeichnungen (g.U.), für die nochmal höhere Anforderungen an die Dokumentation gelten als für geschützte geographische Angaben (g.g.A.). Auch hier gibt es entsprechende Produktspezifikationen. Deutschland hat hier bis auf gewisse Ausnahmen bisher nur die traditionellen Weinbaugebiete bei der EU eintragen lassen:
- Ahr
- Baden
- Franken
- Hessische Bergstraße
- Mittelrhein
- Mosel
- Nahe
- Pfalz
- Rheingau
- Rheinhessen
- Saale-Unstrut
- Sachsen
- Württemberg
Das heißt, dass der Wein nur dann die Bezeichnung der Weinbauregion (3) tragen darf, wenn es sich um einen Qualitätswein oder Prädikatswein handelt. Zudem muss er natürlich die Anforderungen der Produktspezifikationen einhalten.
Das Dumme ist nur, dass die Produktspezifikationen ziemlich unkonkret sind. Im Vergleich mit Landwein fallen die Anreicherungsgrenzen weg und es gibt mehr Freiheiten im Hinblick auf Sorten, maximalem oder minimalem Alkohol. Zudem darf die volle Breite von trocken bis lieblich genutzt werden.
Das heißt, grundsätzlich kann in jedem Anbaugebiet jede Rebsorte in jeder Geschmacksrichtung beliebig ausgebaut werden. Mit regionalen Herkunftsprofilen hat das nichts zu tun. Das Label „Rheingau“ auf einem Etikett bedeutet also nur: „Wein aus einer beliebigen Rebsorte, einer beliebigen Geschmacksrichtung, der minimalen Qualitätsanforderungen gerecht wird und im Rheingau gewachsen ist“.
Das ist wenig und zwar trotz eines wesentlichen Unterschieds zum Landwein: 100% der Qualitätsweine werden analytisch und sensorisch geprüft, d.h. von einem Komitee im Weinbaugebiet verkostet und benotet.
In den Komitees sitzen Winzer und Weinexperten. Neben einer qualitativen Beurteilung nach Punkten und einer Beurteilung möglicher Weinfehler (zum Beispiel in Hessen für den Rheingau und die hessische Bergstraße nicht näher definiert) wird auch stets die Typizität geprüft. Der Wein soll typisch für das Anbaugebiet, das Prädikat und die Rebsorte sein. Ebenso werden die Farbe und die Klarheit beurteilt. In Hessen sind dies Ja/Nein Fragen. Bei einem Nein ist der Wein sofort durchgefallen.
Genau diese Ja/Nein Fragen führen bei manchen Winzern zu Verzweiflung. Manche Komitees sind zum Beispiel sehr streng bei einer Trübung in unfiltriertem Wein. Dabei ist wenig oder gar keine Filtration in der Weinwelt anerkannt und wird von vielen Weinkennern geschätzt. Trübstoffe bringen Geschmack und Struktur in einen Wein. Andere Komitees lehnen Weine aufgrund fehlender Gebietstypizität ab, die in den Spezifikationen aber nur äußerst grob definiert ist.
Folge einer Ablehnung ist, dass der Wein keinen Gebiets- oder Lagennamen auf der Flasche tragen darf. Er kann höchstens als Landwein vermarktet werden, sofern er die entsprechenden Kriterien einhält (Problemthema Anreicherung).
Auch Top-Betriebe des Landes kämpfen hier und da mit der Prüfung. Manche Top-Weine müssen viele Male bei der Prüfung angestellt werden, bis sich ein Komitee erbarmt und sie mit Mindestpunktzahl oder als gebietstypisch durchkommen lässt. Das ist schon absurd, wenn sie gleichzeitig von der internationalen Weinkritik hoch mit Punkten dekoriert werden.
Und man darf nicht vergessen: Umgekehrt finden sich im Discounter schon zu Hauf Qualitätsweine für 2,99 EUR. Das ist trinkbar, hat aber mit Herkunft und Qualität nichts zu tun.
Die Punktzahlen werden nicht veröffentlicht. Weine mit hohen Punkten können sich aber zu Gebietswettbewerben qualifizieren und Preise und Medaillen einheimsen. Nur wie gesagt: Die Bewertung findet durch viele kleine Komitees statt, mit Teilnehmern, die ein unterschiedliches Ausbildungsniveau haben und als Winzer teils auch ganz andere Stile und Weine favorisieren. Da liegt es auf der Hand, dass die mangelhaft beschriebenen Kriterien in den Produktspezifikationen unterschiedlich ausgelegt werden. Für mich haben diese regionalen Wettbewerbe und Medaillen daher ebenso wenig Aussagekraft über die Weinqualität wie die bestandene Qualitätsweinprüfung selbst.
Meine Kritik am System in Deutschland
Es wird immer von einer Qualitätspyramide gesprochen. Eine Pyramide sollte am Ende so aufgebaut sein, dass es eine breite Basis gibt (einfache Weine), einen guten aber schlankeren Mittelbau (mittlere Weinqualität) und eine kleine Spitze (Top-Weine). Die Realität zeigt das ja auch. Weinkritiker würden, hätten Sie Transparenz über den Gesamtmarkt, die Weine auch so bewerten, dass sich nach den Bewertungspunkten sicher eine Pyramide ergäbe. Die Bezeichnungen auf den Etiketten halten dem aber nicht stand.
Wenn es sich um eine Pyramide handeln würde, müssten die meisten Weine in Deutschland „Weine ohne geografische Herkunftsbezeichnung“ sein. Dem ist jedoch bei weitem nicht so. In Deutschland sind über 95% der Weine in der Topkategorie Qualitätswein (g.U.), die Qualitätspyramide wird also gar nicht genutzt. In Frankreich ist man da weiter. Immerhin 8% der Weine sind in der untersten Kategorie und 1/3 in der mittleren.
In Deutschland kommt erschwerend hinzu, dass die Produktspezifikationen der bisher bei der EU eingetragen g.U. und g.g.A. das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Sie beinhalten quasi keine Vorgaben zu Produktionstechniken, Ausbaustilen oder sonstigen Qualitätsmerkmalen. Alles, was rechtlich insgesamt zulässig ist, ist überall erlaubt. Eine regionale Profilierung findet damit ebenfalls nicht statt. Im Prinzip könnte man heute die Weinbaugebiete auf den Flaschen auch weglassen und alle in einer g.U. Deutschland zusammenfassen.
Zwar gibt es natürlich aufgrund unterschiedlicher Traditionen unterschiedliche geschmackliche Tendenzen zwischen den Weinbaugebieten. Aber ein mittelguter fränkischer Riesling und ein mittelguter Pfälzer Riesling werden selbst von vielen Experten bei einer Blindprobe nicht einer Region zuzuordnen sein. Wozu also die Anbaugebiete betonen?
Auch hier sind Frankreich oder Italien weiter. Nehmen wir wieder Frankreich und die relativ bekannte g.U. „Pouilly-Fumé“. In der Produktspezifikation ist u.a. folgendes definiert:
- Rebsorte: ausschließlich Sauvignon Blanc
- Angabe der zugelassenen Parzellen
- Pflanzdichte: mind. 6.000 Rebstöcke/ha mit Reihenabstand von max. 1,3m
- Konkrete Angaben zum Rebschnitt/Reberziehung (Guyot/Cordon)
- Konkrete Angaben zum Wuchshöhe
- Maximal 20% fehlende Rebstöcke
- 10.500kg/ha Höchstertrag
- Pflicht zur Bepflanzung der Böschungen, Gräben, Ränder
- Verbot der Bewässerung
- Minimales vorhandenes Alkoholpotential 10,5%
- 65 Hektoliter/ha Ausbeute
- Max. 4g/l Restzucker im Wein
- Keine Wärmebehandlung des Mosts
- Keine Verwendung von Holzchips
- Max. 13% Alkohol nach Anreicherung
- „guter“ Zustand und Hygiene des Kellers
- Klare Regeln, was die Kontrollstelle für die Einhaltung der Regeln wie kontrolliert (Dokumentation, Ortsbesichtigung, Analytische und organoleptische Untersuchung)
Das sind aus meiner Sicht ziemlich klare Regeln. Wer im Regal einen „Pouilly-Fumé“ mitnimmt weiß, dass er einen trockenen Sauvignon Blanc mit klaren Produktionsvorschriften und aktiver Behördenkontrolle bekommt.
Natürlich gibt es auch hier Unterschiede in den Qualitäten, die die einzelnen Winzer vor Ort produzieren. Der mögliche Spielraum ist jedoch viel geringer, als eine Produktion in der g.U. Rheinhessen zum Beispiel, wo alle Rebsorten mit jeder Geschmackangabe und Erträgen von ganz einfach bis Top-Wein möglich sind.
Dabei ist festzuhalten, dass ein Wein der Appellation Pouilly-Fumé mit einem Wein der Appellation Rheinhessen hinsichtlich EU-Qualitätsstufe gleichzusetzen ist, also mit einem „Wein aus irgendeiner von 300 Rebsorten, der trocken, halbtrocken oder lieblich ausgebaut ist und für den geringste Qualitätsanforderungen gelten. Hauptsache, er ist in Rheinhessen gewachsen“.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Beim Blick auf die Größen der Appellationen wird gleich ein wesentliches Problem klar: hier wird Rheinhessen mit fast 27.000 Hektar mit Pouilly-Fumé, etwa 1.300h ha verglichen. Insofern wird es in Rheinhessen regional schon unterschiedliche Schwerpunkte und Traditionen geben. Im Nordwesten rund um die Kalkbänke bei Appenheim stehen zum Beispiel Burgundersorten im Vordergrund. Im Nordosten am Roten Hang rund um Nierstein ist der Riesling die Top-Rebsorte.
Wenn sich in Deutschland also etwas ändern soll, dann müssen g.U. für kleinere Einheiten angemeldet werden. Grundsätzlich ist das kein Hexenwerk. Die Gemeinschaft von Erzeugern einer Lage oder einer geografischen Einheit tut sich zusammen und definiert die Kriterien. Funktionieren wird das dennoch voraussichtlich nicht – warum ist zu lesen im Kapitel “Wo ist der Wein gewachsen”, wo es um die wohlklingenden Weinlagen geht.
Noch einmal kurz zurück zur Landwein g.g.A.: Auch hier wäre denkbar, von der Pauschalierung weg zu kommen und g.g.A. zu konkreteren „Weintypen“ oder Teilregionen zu erstellen. An der hessischen Bergstraße könnte zum Beispiel ein trockener Riesling durch eine spezielle g.g.A. gegenüber dem „Rest“ in einer allgemeineren g.g.A. hervorgehoben werden. Vielleicht würde das auch die Attraktivität für Landwein steigern, denn der Winzer hat ja auch Vorteile bei Landwein. Insbesondere erspart er sich die Anmeldung zur Qualitätsweinprüfung und Erteilung der AP-Nummer.
Zusätzliche Informationen zu Prädikatsweinen
Prädikatsweine unterliegen ebenfalls den Bedingungen für Qualitätsweine, dürfen aber nicht mit Zucker angereichert werden um den Alkoholgehalt zu erhöhen.
Die unterschiedlichen Prädikate unterscheiden sich dann im Wesentlichen durch den vorhandenen Zucker bei der Ernte der Trauben. Je nach Anbaugebiet sind unterschiedliche Mindestmostgewichte (Zuckergehalte) vorgeschrieben. In Grad Oechsle wird in Deutschland der Zuckergehalt einer Traube oder im Most gemessen. In der Tabelle sind hiermit Alkoholwerte verknüpft. Das bedeutet, dass z.B. 75° Oechsle das Potential haben im Rahmen der Vergärung maximal zu 9,8% Alkoholgehalt im Wein zu führen. Und zwar dann, wenn die Hefen diesen Zucker vollständig in Alkohol umwandeln, d.h. der Wein am Ende der Gärung 0,0g Restzucker aufweist. Da immer etwas Restzucker im Wein verbleibt und ein kleiner Teil des Alkohols während der Produktion „verfliegt“, wird der tatsächliche Alkoholgehalt in der Flasche niedriger ausfallen als in der Tabelle angegeben. Hier das Beispiel aus Hessen für Rheingau und hessische Bergstraße:
Prädikat | Zuckerwerte | Bedeutung trockener Wein | Bedeutung restsüßer Wein |
---|---|---|---|
Kabinett Weißwein | 75° Oechsle = 9,8% potentieller Alkohol | Tendenziell ein leichter Wein | Ein leichter, trinkiger und auch nicht sehr süßer Wein, schließlich bleibt bei einem Ziel Alkoholgehalt von z.B. 8% nicht viel unvergorener Zucker übrig. Stilistisch oft ein schöner Wein zum Aperitif oder als Solist an einem Sommerabend. Ein „echter“ Kabinett ist für einen Winzer in heißen Jahren nur schwer zu produzieren, da sich zum Zeitpunkt der physiologischen Reife der Trauben oft schon zu viel Zucker gebildet hat. |
Kabinett Rotwein | 80°=10,6% | ||
Spätlese Weißwein | 85°=11,4% | Vermutlich sind die meisten trockenen Weine Spätlesen, auch wenn sie als Qualitätswein angeboten werden (dort dann ggf. mit Zucker auf Spätleseniveau angereichert). Insbesondere bei Rotweinen, die in der Regel mit unter 1g Restzucker abgefüllt werden, ist die Spanne eines möglichen Alkoholgehalts von 12,2%-14,5% hoch, sodass sich in dieser Kategorie schon keine wirkliche Aussage mehr darüber treffen lässt, ob es sich um einen eher leichten oder schweren Wein handelt. | Je nach Restzuckergehalt können Spätlesen eher feine Solisten oder aber kraftvolle Dessertweine sein. In aller Regel stehen sie aber noch auf der feinen Seite. Meist werden Spätlesen auch ohne den Einfluss der „Edelfäule“ Botrytis geerntet, sodass sie fruchtiger und ohne die typischen Honignoten der höheren Prädikate schmecken. Gereifte, kräftigere halbtrockene und liebliche Spätlesen können auch sehr gute Essensbegleiter sein, da der Süßeeindruck über die Lagerzeit abnimmt, aber Kraft und Fülle grundsätzlich bleiben |
Spätlese Rotwein | 90°=12,2% | ||
Spätlese Weißherbst oder Rosé | 85°=11,4% | ||
Auslese Riesling | 95°=13,0% | Trockene Auslesen gibt es hier und da und sind immer recht kraftvolle, eher warme Weine. Jenseits von 13,5% Restalkohol in der Flasche für Weißweine und 14% für Rotweine fällt es schwer, ausgewogene, trinkige und harmonische Weine zu produzieren. Dennoch wird dieser kräftige Stil auch von einigen Weintrinkern bevorzugt | Bei einer Auslese fängt der Bereich der Dessertweine an. Häufig haben Auslesen schon den Einfluss der „Edelfäule“ Botrytis, die die Trauben zum späten Erntezeitpunkt befallen hat. Hierdurch bekommen sie eine feine Honignote, die sehr geschätzt wird. Da der Alkoholgehalt in der Flasche in der Regel immer noch unter 10% liegt, ist bei einer Auslese schon jede Menge Restzucker in der Flasche. |
Auslese Weißwein | 100°=13,8% | ||
Auslese Rotwein | 105°=14,5% | ||
Auslese Weißherbst und Rosé | 100°=13,8% | ||
Beerenauslese und Eiswein | 125°=17,7% | Eine trockene Beerenauslese lässt sich fast nicht produzieren. Um einen Wein mit 16% Alkohol und etwas Restzucker machen zu können braucht es extrem starke Hefen. Denn die alkoholische Gärung der Hefen ist quasi ein Kamikazevorhaben. Ab einem gewissen Alkoholgehalt vergiften sich die Hefen selbst und sterben ab. Bei natürlichen Hefen kann das schon bei 12% oder 13% der Fall sein, bei zugesetzten Hefen gibt es natürlich welche, die auch 16% oder vielleicht 17% aushalten. Aber in der Regel sind das dann nicht mehr wirklich harmonische Weine, sodass das Prädikat hier keine Rolle spielt. | Beerenauslesen sind schon ziemlich viskos im Glas und sind sehr aromatisch. In Sachen Lagerfähigkeit sind sie, sofern hochwertig gemacht, quasi ewig haltbar. Aufgrund des extremen Zuckergehalts dürften nur Hardcore-Süßfreaks hier Flasche um Flasche solo trinken. Eiswein muss bei mindestens -8°C und gefrorenen Trauben geerntet werden und direkt gepresst werden. Da ein Teil des Wassers in der Traube damit gefroren im Trester zurück bleibt, ist er enorm konzentriert und hat oft auch Zuckerwerte die auch die der Trockenbeerenauslese übersteigen. Dennoch ist die Untergrenze winzerfreundlich niedriger angesetzt. |
Trockenbeerenauslese | 150°=21,5% | Keine Relevanz | Trockenbeerenauslesen werden aus handverlesenen, bereits am Stock rosinierten Beeren gekeltert. Die „Edelfäule“ Botrytis hat die Beerenhaut durchlässig gemacht, sodass Wasser verdunsten konnte und zusätzliche Konzentration entstanden ist. Entsprechend viskos sind die Weine im Glas und entsprechend süß schmecken sie. |
Da ist er wieder – der Zucker. Aus der Historie heraus wieder nachvollziehbar. Nur in guten Jahren und in guten Lagen wurden die Trauben so reif, dass kraftvolle, lagerfähige Weine entstehen konnten. Die Spätlese war selten möglich, ohne, dass Pilze oder Fäulnis die Trauben schon vorher ungenießbar gemacht hätten. Eine Trockenbeerenauslese historisch. Heute ist das für den Produzenten viel weniger relevant. Klar gibt es Jahre, in denen Beerenauslesen oder Trockenbeerenauslesen aufgrund schlechter Witterung nicht möglich sind. Es gibt auch Jahre bei denen die genannten Prädikate aufgrund starker Trockenheit ausfallen, weil in diesem Fall kein Botrytisbefall einsetzt, der wichtig für die Perforation der Beerenhaut und weitere Konzentration ist. Viel häufiger ist aber das Problem, dass ein „echter“ Kabinett nicht mehr möglich ist, weil die Trauben schon zu viel Zucker gebildet haben, bevor sie tatsächlich erntereif sind.
Was bedeutet das Prädikat für den Kauf eines restsüßen Weins?
Bei restsüßen Weinen hätten die Prädikate grundsätzlich auch heute noch eine Relevanz. Schon allein beim Geschmacksbild. Nehmen wir an, der Winzer möchte liebliche Weine mit 8% Alkohol produzieren. Über die Prädikate hätte der Käufer dann einen schönen Leitfaden, wie süß die einzelnen Weine des Winzers wären. Der Kabinett müsste dann am wenigsten restsüß sein, die Auslese (oder höher) am süßesten. Hinzu kommt natürlich auch die geschmackliche Konzentration. Je mehr Zucker in den Trauben, desto länger müssen Sie am Stock gehangen haben und desto stärker sind die Inhaltsstoffe konzentriert. Auf der langen Zuckerklaviatur von Kabinett bis Trockenbeerenauslese macht das einiges aus. Eigentlich also ein tolles Instrument für den Käufer, seinen bevorzugten Weintyp zu finden.
Aber Du hast es gemerkt – ich schrieb im Konjunktiv. Denn dummerweise ermöglicht es die Prädikatszuckerleiter dem Produzenten jederzeit Stufen zurück zu gehen. Eine Auslese zu ernten und Kabinett drauf zu schreiben ist also kein Problem, zudem sind in jedem Anbaugebiet die Prädikate hinsichtlich Mindestmostgewichte unterschiedlich definiert, was das System leider ad absurdum führt. Bei hochwertigen Produkten ist das dennoch eine ganz gute Richtschnur bei der Beurteilung eines Weinstils.
Was bedeutet das Prädikat für den Kauf eines trockenen Weins?
Bei trockenen Weinen haben Prädikate keine Relevanz.
Die deutsche Nachkriegstradition ist, das Prädikat Kabinett für den einfachsten Wein und das Wort Spätlese oder Auslese für den nach eigener Winzereinschätzung besten Wein zu verwenden. Die tatsächlichen Oechsle spielen dabei traditionell überhaupt keine Rolle. Ich gehe fest davon aus, dass über 90% der in Deutschland produzierten trockenen Kabinette keine leichten Kabinettweine sind, sondern Spät- oder gar Auslesen mit teils 13 und mehr Prozent Alkohol. Im Prinzip Verbrauchertäuschung – gesetzlich erlaubt.
Eigentlich reicht das aus meiner Sicht schon, trockene Prädikatsweine von der deutschen Weinlandkarte zu tilgen.
Hinzu kommt aber auch noch der Beitrag des Prädikats zum geschmacklichen Profil eines Weins. Während ich bei lieblichen Weinen bei einer Begrenzung der Oechsle der jeweiligen Kategorie nach oben eine gewisse Klaviatur von Stilen spielen kann ist das beim trockenen Wein ebenfalls sehr eingeschränkt möglich. Allenfalls beim Kabinett könnte auf einen leichten Wein geschlossen werden.
Einige wenige Qualitätswinzer mit Weinlagen, die „echte“ trockene Kabinette zulassen, zeigen eindrucksvoll, wie komplex und fein solche Weine werden können.
Ansonsten spielt die Musik aromatisch gesehen im Bereich der Spätlese. Die Spanne ist hier so weit bemessen, dass nicht geschlussfolgert werden kann, ob eine trockene Spätlese eher kräftig oder eher leicht ausfällt. Außerdem geht es beim trockenen Wein heute insgesamt darum, finessenreiche, nicht zu alkoholreiche Weine zu produzieren. Wuchtbrummen mit 14,5% sind fast jedes Jahr möglich aber nicht erwünscht, da sie oft süßlich und unharmonisch wirken.
Insofern kommt es bei trockenen Weinen nicht auf viel Zucker in den Trauben an, sondern darauf, dass sie physiologisch reif geerntet werden. Physiologisch reif definiert sich eben nicht am Zucker und den Säurewerten in der Traube. Physiologisch reif bedeutet, dass die Trauben aromatisch reif sind, die Traubenkerne ausgereift sind und bei Rotweinen eine gute Tanninstruktur zu erwarten ist. Damit geht es bei trockenen Weinen eher darum, dass diese physiologische Reife erreicht wird, bevor die Zuckeranreicherung in den Trauben (also quasi die Zuckerreife) zu groß wird, damit sich nicht zu viel Alkohol im fertigen Wein befindet.
Daher wird meist versucht, durch Beschattung (gutes Laubmanagement) und andere Maßnahmen die Zuckerreife möglichst hinauszuzögern, um rechtzeitig bei bestehender physiologischer Reife zu ernten.
Da sich die Zuckerwerte im Herbst teilweise von Tag zu Tag deutlich erhöhen, kommt es darauf an, den besten Zeitpunkt zu erwischen. In der Tendenz vielleicht lieber ein paar Tage früher, als zu spät, auch wenn der „Zielalkoholgehalt“ noch nicht ganz erreicht ist. Wenn die physiologische Reife jetzt bei einem Spätburgunder Rotwein zum Beispiel schon bei 11,7% maximalem Alkoholpotential erreicht wäre, wäre bei der Vermarktung als Prädikatswein das ganze zwingend ein Kabinett. Es würde vermutlich 11% auf der Flasche stehen, da nahezu aller Zucker zu Alkohol vergoren wäre. Tendenziell ist der Alkoholgehalt sogar noch niedriger, da sich der Alkohol bei offener Maischegärung und Lagerung im Holzfass zu einem gewissen Teil verflüchtigt.
Alkohol ist jedoch ein Geschmacksträger, der selbst etwas süß schmeckt und andere Aromen verstärkt. Wenn das Ziel des Winzers war, einen Wein aus physiologisch reifen Trauben und 12,5% Alkohol zu keltern, könnte er das in dem Beispiel nicht als Prädikatswein ohne Anreicherung. Also wird er ihn dann als Qualitätswein vermarkten und ihn etwas mit Zucker anreichern, damit er das Geschmacksprofil erhält, das er und seine Kunden schätzen.
Und natürlich gibt es auch nach wie vor kühle Jahre, wo vielleicht ein Zielgehalt von 13,5% nicht erreichbar wäre, ohne die Traubenqualität durch langes Hängenlassen zu gefährden. Auch hier kann nur bei Qualitätswein nachträglich „aufgebessert“ werden.
Entsprechend zurückhaltend eingesetzt ist sich die Weinwelt daher weitgehend einig, dass die Anreicherung der Weinqualität eher nutzt statt schadet.
Abschließend: Die Angabe des Prädikats bringt hier keinen Mehrwert für den Käufer.
Meine Kritik am Prädikatswein in Deutschland
Das gesamte System entstammt einer Zeit, in der Weine in schlechten Jahren schlicht nicht reif geworden sind. Damals waren die Prädikate als Qualitätsinstrument entsprechend sinnvoll. Inzwischen werden Sie im trockenen Bereich in den meisten Anbaugebieten nur noch dazu genutzt Weine weingutsintern abzustufen. Kabinett ist der einfache Wein, Spätlese der bessere, Auslese der beste. Aber die Generation derer, die die alten Zeiten unreifer Weine noch kennen und sich so ggf. orientieren stirbt langsam aus. Besser wäre es daher, mit den Begriffen Weinstile zu verknüpfen (alle qualitätsmäßig gleich gut), der Kabinett ist dann der leichteste Wein, die Auslese der kraftvollste. Dazu bräuchte es aber eine Definition was ein leichter Wein ist, und was ein schwerer. Die gibt es nicht. In erstaunlichem Behörden-Kleinklein ist ein unglaublicher Definitionswildwuchs in den Anbaugebieten entstanden, denn natürlich hat jedes Weinbaugebiet eine eigene Definition der Prädikate:
Anbaugebiet | Riesling | Riesling | Riesling | Spätburgunder | Spätburgunder | Spätburgunder | Sonstige Rebsorten | Sonstige Rebsorten | Sonstige Rebsorten | Besonderheiten |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Kabinett | Spätlese | Auslese | Kabinett | Spätlese | Auslese | Kabinett | Spätlese | Auslese | ||
Ahr | 76/10,0% | 80/10,6% | 88/11,9% | 80/10,6% | 85/11.4% | 90/12,2% | 76/10,0% | 87/11,7% | 93/12,7% | Weißburgunder wie Riesling, übrige Rotweine wie Spätburgunder |
Mosel | 73/9,5% | 80/10,6% | 88/11,9% | 73/9,5% | 80/10,6% | 88/11,9% | 73/9,5% | 85/11.4% | 93/12,7% | Müller-Thurgau und Elbling wie Riesling |
Nahe | 73/9,5% | 78/10,3% | 85/11.4% | 73/9,5% | 82/10,9% | 92/12,5% | 73/9,5% | 87/11,7% | 95/13,0% | Müller-Thurgau und Silvaner 73/82/92 |
Rheinhessen | 73/9,5% | 85/11.4% | 92/12,5% | 76/10,0% | 90/12,2% | 100/13,8% | 76/10,0% | 90/12,2% | 100/13,8% | |
Pfalz | 73/9,5% | 85/11.4% | 92/12,5% | 76/10,0% | 90/12,2% | 100/13,8% | 76/10,0% | 90/12,2% | 100/13,8% | |
Rheingau | 75/9,8% | 85/11.4% | 95/13,0% | 80/10,6% | 90/12,2% | 105/14,5% | 75/9,8% | 85/11.4% | 100/13,8% | sonstige rote Sorten wie Spätburgunder |
Hess. Bergstraße | 75/9,8% | 85/11.4% | 95/13,0% | 80/10,6% | 90/12,2% | 105/14,5% | 75/9,8% | 85/11.4% | 100/13,8% | sonstige rote Sorten wie Spätburgunder |
Franken | 78/10,3% | 87/11,7% | 100/13,8% | 85/11.4% | 90/12,2% | 100/13,8% | 80/10,6% | 90/12,2% | 100/13,8% | Silvaner wie Riesling |
Württemberg | 73/9,5% | 85/11.4% | 95/13,0% | 75/9,8% | 88/11,9% | 95/13,0% | 73/9,5%-78/10,3% | 85/11,4%-88/11,9% | 95/13,0% | Alle Rebsorten einzeln beschrieben |
Baden | 76/10,0% | 86/11,6% | 102/14,1% | 85/11.4% | 95/13,0% | 105/14,5% | 76/10,0%-85/11,4% | 88/11,9%-95/13,0% | 102/14,1%-105/14,5% | Alle Rebsorten einzeln beschrieben |
Baden nur Tauberfranken und Bodensee | 76/10,0% | 85/11.4% | 98/13,4% | 85/11.4% | 91/12,4% | 101/13,9% | 76/10,0%-85/11,4% | 85/11,4%-91/12,4% | 98/13,4%-101/13,9% | Alle Rebsorten einzeln beschrieben |
Sachsen | 73/9,5% | 80/10,6% | 88/11,9% | 78/10,3% | 85/11.4% | 90/12,2% | 73/9,5% | 80/10,6% | 88/11,9% | Portugieser und Dornfelder wie Riesling, sonstige rote Sorten und Traminer, Ruläner, Weißburgunder wie Spätburgunder |
Saale-Unstrut | 75/9,8% | 85/11.4% | 95/13,0% | 75/9,8% | 85/11.4% | 95/13,0% | 75/9,8% | 85/11.4% | 95/13,0% | |
Mittelrhein | 76/10,0% | 80/10,6% | 88/11,9% | 80/10,6% | 87/11,7% | 93/12,7% | 76/10,0% | 85/11,4% | 93/12,7% | sonstige rote Sorten wie Spätburgunder |
Spanne Gesamtalkohol | 0.80% | 1.40% | 2.70% | 1.80% | 2.40% | 2.60% | 1.90% | 1.60% | 2.60% |
Während man sich beim Riesling Kabinett noch relativ einig ist, gibt es sonst himmelweite Spannen. Aus meiner Sicht hat das mit einer Stildefinition ebenso wenig etwas zu tun, wie mit einem Qualitätskriterium.
Eine Spätburgunder Spätlese mit 10,6% (Mosel) schmeckt immer deutlich anders als einer mit 13% (Baden). da ist das Anbaugebiet vollkommen egal
Mir ist zwar klar, dass in den südlichen Anbaugebieten der Kabinett nur noch als freiwillige Abstufung zu erzielen wäre, würde man überall die Werte von der Mosel heranziehen, schlimm fände ich es aber nicht. Man würde feststellen, dass eben in Baden nur in absoluten Ausnahmefällen Kabinette entstehen können.
Auch das Wirrwar mit den unterschiedlichen Werten für unterschiedliche Rebsorten verwirrt mich hier. Wer mir hier erläutern kann, warum das so notwendig ist, ist herzlich eingeladen, zumal Saale-Unstrut hier erfrischend simpel vorgeht und keinerlei Unterscheidungen zwischen den Rebsorten macht.
Am Ende ist das Prädikatssystem über weite Strecken heute ein politisches Instrumentarium. Eigentlich abzuschaffen.
Das gilt auf jeden Fall für die Prädikate bei trockenen Weinen. Es ist mutlos, dass die Abschaffung nicht im Rahmen der letzten Gesetzesreform passiert ist, denn sie haben schlichtweg keine Relevanz (siehe obige Kaufhinweise).
Bei restsüßen Weinen könnte das System dagegen definitiv eine Relevanz haben und ein wesentlicher Anker in der Weintradition in Deutschland bleiben. Aber nicht auf Basis dieses Wildwuchses und vor allem nicht, solange das System die Käufer täuscht: Die Abstufungsmöglichkeit muss verschwinden. Ich darf aktuell immer ein niedrigeres Prädikat auf die Flasche schreiben, auch wenn ich Trauben geerntet und verarbeitet habe, die eigentlich ein höheres Prädikat ermöglichen. Ob ein Kabinett wirklich geschmacklich auch ein solcher ist, weiß der Käufer erst, wenn er die Flasche öffnet. Hinter vielen Kabinetten verbergen sich heute ziemlich fette Spätlesen, teilweise sogar Auslesen. Eigentlich ein Unding, gerade heute, wo es in den meisten Jahren nicht mehr das Problem ist, eine Auslese zu produzieren. Vielmehr besteht die Herausforderung eher darin, einen leichten Kabinett auf den Markt zu bringen. Eine Festlegung von sinnvollen Obergrenzen für jede Stufe würde den Kabinett zu einem echten deutschen Alleinstellungsmerkmal machen. In südlicheren Anbaugebieten könnte keiner konkurrieren. Ein französischer Sauternes Kabinett ist aufgrund der klimatischen Verhältnisse nicht möglich. Ein Moselkabinett aber noch in den meisten Jahren, sofern der Winzer von Anfang an darauf hinarbeitet.
Erstes Gewächs und Großes Gewächs
Zusätzlich zu allen anderen Informationen findet sich gelegentlich der Begriff Erstes Gewächs oder der Begriff Großes Gewächs auf dem Etikett. Gesetzlich waren diese Begriffe bis vor kurzem nicht geschützt. Das heißt, grundsätzlich konnte jeder Winzer diesen Begriff auf jeden Wein schreiben. Regularien für die Begriffsverwendung hatten bisher nur die Verbände VDP (Begriffe Großes Gewächs und Erste Lage=Erstes Gewächs) und Bernkasteler Ring (Großes Gewächs). Bei diesen Verbänden (Erkennbar an den entsprechenden Flaschenkapseln) sind die Begrifflichkeiten auch gleichzeitig Qualitätsversprechen.
Zudem gab es bisher im Rheingau ein definiertes Erstes Gewächs, allerdings regulatorisch weniger eng definiert als im VDP zum Beispiel. Die Rheingauer Sonderregelung wurde mit der Aufnahme der Begriffe ins Deutsche Weinrecht abgeschafft.
Für die Verwendung der Begriffe sind im Weingesetz folgende Voraussetzungen definiert:
Voraussetzung | Erstes Gewächs | Großes Gewächs |
---|---|---|
Rebsorte | Alle Rebsorten, aber keine Cuvée | Wie Erstes Gewächs |
Ertragsbegrenzung | 6.000l/ha, in Steillagen 7.000l/ha | 5.000l/ha, in Steillagen 6.000l/ha |
Traubenlese | „Selektiv“ – was auch immer das bedeutet | Handlese |
Mindestalkohol | Mosel/Sachsen/Saale-Unstrut 10,5% sonst 11% | Wie Erstes Gewächs |
Herkunft | Aus einer beliebigen Einzellage | Wie Erstes Gewächs |
Jahrgänge | Keine Jahrgangscuvées | Wie Erstes Gewächs |
Geschmacksrichtung | Nur trocken, darf auf dem Etikett aber nicht angegeben werden | Wie Erstes Gewächs |
Verkauf ab | Frühestens 1. März nach dem Erntejahr | Frühestens ab dem 1. September nach dem Erntejahr, für Rotweine 9 Monate später |
Prädikat | Darf nicht angegeben werden | Wie Erstes Gewächs |
Prüfung | Keine Anforderungen über die Qualitätsweinprüfung hinaus | Separate Prüfung, ob der Wein die „besonderen gebiets- und rebsortentypischen sensorischen Merkmale aufweist“ |
Bestandsschutz | Die bisherigen Bedingungen des VDP und des Bernkasteler Rings werden incl. der Prüfung voll anerkannt, auch wenn sie ggf. nicht den gesetzlichen Kriterien entsprechen | Wie Erstes Gewächs |
Prinzipiell heißt das aktuell, dass ein Winzer praktisch auf jeden trockenen Rot- oder Weißwein, der aus einer Weinlage kommt Großes Gewächs oder Erstes Gewächs draufschreiben kann, sofern er die Ertragsmenge und ggf. die Vorschrift „Handlese“ einhält. Die separaten Prüfungen für Große Gewächse werden in den Regionen zurzeit noch erarbeitet. Ob es hier andere Kriterien als eine besonders hohe Punktzahl bei der Qualitätsweinprüfung geben wird, ist für mich fraglich.
Müller-Thurgau GG mit 9g Restzucker ist überall in Deutschland aktuell genauso möglich wie Sauvignon Blanc aus dem Holzfass mit 1g Restzucker oder eben Riesling mit 5g.
Für den Verbraucher kein Mehrwert.
Das Gesetz sieht explizit vor, dass regional engere Kriterien gefasst werden können. In welcher Tiefe und wann das geschieht, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen.
Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?
So lange regional keine engeren Kriterien gefasst wurden bedeutet das nur, dass ein Großes Gewächs wahrscheinlich der beste und ein Erstes Gewächs der zweitbeste trockene Wein aus der jeweiligen Lage des Winzers ist. Es sagt nichts über die Qualität und nur ganz wenig über die Produktionsmethoden aus.
Nur in Kombination mit dem Logo des VDP oder Bernkasteler Rings auf der Kapsel kann von einer guten Mindestqualität ausgegangen werden. Insofern würde ich nur in Kombination mit dem Logo meine Kaufentscheidung durch die Bezeichnung beeinflussen lassen.
Die Kritik ist im Prinzip die gleiche wie an der Herkunftspyramide selbst. Man überlässt es auch hier den jeweiligen Herstellergruppen (private Winzer, Genossenschaften und Weinkellereien) zu regeln, wie die Bedingungen für die Bezeichnungen regional ausgelegt werden sollen. Natürlich gibt es da unterschiedliche Interessen. Qualitätsorientierte private Winzer fordern voraussichtlich enge Kriterien, einen Fokus auf wenige Rebsorten, sensorische Anforderungen, die mit denen von renommierten Weinkritikern kompatibel sind. Kellereien wollen möglichst blumige Bezeichnungen auf allerlei einfachen Produkten haben, um diese besser an den Mann zu bekommen. Genossenschaften setzen im Sinne ihrer Mitglieder traditionell auf Vielfalt.
Hinzu kommt: Solange ich das ganze auf der Geografischen Ebene eines gesamten Anbaugebiets diskutiere (was zurzeit passiert, weil es nur dafür sogenannte Schutzgemeinschaften gibt), ist nahezu jegliches engere Qualitätskriterium zum Scheitern verurteilt. Die deutschen Anbaugebiete sind dafür definitiv zu vielfältig. Das hört man aktuell auch schon aus einigen Anbaugebieten unter vorgehaltener Hand. Man wird sich nicht darauf einigen, in ganz Rheinhessen nur zum Beispiel Riesling, Weißburgunder und Spätburgunder für Große und Erste Gewächse zuzulassen, viel zu wichtig scheinen andere Rebsorten für viele Erzeuger. Ein Potential für die Definition von Kriterien für echte große Gewächse („Grand Crus“) sehe ich nur, wenn sich eine Schutzgemeinschaft für eine Weinlage zusammentun würde, in der es auch heute nur wenig gegenläufige Interessen gibt. Damit ist für mich das Große Gewächs und das Erste Gewächs fast tot. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der VDP sich hier schlaue andere Bezeichnungen aussuchen muss, um sich qualitativ abzugrenzen.
Weitere qualitätsbezogene Weinbezeichnungen auf dem Etikett
„Classic“ und „Riesling Hochgewächs“ sind weitere im Weingesetz festgehaltene und mit „Qualitätskriterien“ unterlegte Begriffe. Ich erläutere hier die Details nicht. Die hinterlegten Kriterien taugen als Qualitätskriterien ebenfalls nicht und täuschen am Ende den Verbraucher.
Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?
Die Begriffe sind kein Qualitätskriterium und helfen nicht bei der Weinauswahl.
Bei Classic ist wichtig zu wissen, dass keine Geschmacksrichtung angegeben werden darf, die Weine aber trocken oder halbtrocken sein dürfen.
Wo ist der Wein gewachsen (1)?
Wer bis hier hin durchgehalten hat, hat erfahren, dass es bei deutschem Wein schwierig ist, anhand des Etiketts Rückschlüsse auf Stil und Qualität des Weins zu ziehen. Im französischen System der Weinbezeichnungen gilt: Je enger die Herkunft, desto höher die Qualität. Ort enger als Region und Weinlage enger als Ort quasi. Ob das hier auch so ist? Das müsste so sein, schließlich war Ziel der letzten Weinrechtsreform, dieses System einzuführen. Was ist also nun mit dem „Oppenheimer Krötenbrunnen“, der „Wehlener Sonnenuhr“, dem „Billigheimer Venusbuckel“ und dem „Kröver Nacktarsch“?
Fakt ist, alle vier Bezeichnungen gibt es, aber nur die Sonnenuhr und der Venusbuckel bezeichnen überhaupt einen einzelnen Weinberg, so wie man sich das vorstellt. Einen Hang mit Reben. Mit etwas Abstand mit zwei Augen vollständig zu überblicken. Die beiden anderen bezeichnen eine Vielzahl verschiedener Weinberge, teils über viele Ortschaften verteilt (Sogenannte Großlagen).
Es tut mir sehr leid, aber es ist schon wieder kompliziert.
Als Beispiel dafür, wie ein Wein etikettiert werden darf nehme ich die beeindruckende Weinlage Escherndorfer Lump in Franken. Ich nehme also an, dass die Trauben für einen Riesling ausschließlich in diesem etwa 25ha großen Weinberg gewachsen sind. In der folgenden Tabelle finden sich die daraus resultierenden Möglichkeiten den Wein auf dem Etikett zu bezeichnen, einzelne gesetzliche Qualitätskriterien für die Bezeichnung gibt es im Prinzip nicht:
Zulässige Geografische Bezeichnung | Umsetzung auf dem Etikett | Wenn nicht im Escherndorfer Lump: wo muss der Wein gewachsen sein? | Gesetzliche Anforderungen an den Wein | VDP-Kategorie |
---|---|---|---|---|
Nur Gebiet | Riesling Franken | Im Weinbaugebiet Franken (ca. 6.163ha) | Muss Qualitätswein sein | Gutswein |
Gebiet und Bereich | Riesling (Region)* Volkacher Mainschleife Franken | Irgendwo zwischen Volkach, Dettelbach, Nordheim, Sommerach, Schwarzach, Schweinfurt (ca. 2.100 ha) | Muss Qualitätswein sein | Wird nicht genutzt |
Gebiet und Großlage | Riesling (Region)* (Volkacher)* Kirchberg Franken | Irgendwo zwischen Volkach, Dettelbach, Nordheim Sommerach, Schwarzach (ca. 1.685 ha) | Muss Qualitätswein sein | Wird nicht genutzt |
Gebiet und Ort | Escherndorfer Riesling Franken | Im Escherndorfer Lump oder im Escherndorfer Berg (ca. 120 ha) | Muss mindestens das Mostgewicht für Kabinett haben (in Franken 78°Oechsle= 10,4% Alkohol) und darf frühestens am 15. Dezember des Erntejahrs verkauft werden | Ortswein |
Gebiet, Ort und Einzellage | Escherndorfer Lump Riesling Franken | Im Escherndorfer Lump (ca. 25 ha) | Muss mindestens das Mostgewicht für Kabinett haben (in Franken 78°Oechsle= 10,4% Alkohol) und darf frühestens am 1. März des auf die Ernte folgenden Jahrs verkauft werden | Trocken: Erstes Gewächs bzw. Großes Gewächs Restsüß: Erste Lage bzw. Große Lage |
Gebiet, Ort, Einzellage und Gewann (zur Zeit im Escherndorfer Lump nicht vorhanden) | Escherndorfer Lump Gewannname Riesling Franken (<25ha) | Gewanne sind historische Flurbezeichnungen, die seit einigen Jahren in das Weinbergsverzeichnis eingetragen werden können, sie sind dann deckungsgleich mit einem Teil einer Weinbergslage. Im Lump wurde noch kein Gewann eingetragen. Die VDP-Winzer haben sich allerdings vor Jahren die Bezeichnung „Escherndorf am Lumpen 1655“ markenrechtlich schützen lassen und verwenden diese Bezeichnung für Weine aus der besten Parzelle des Escherndorfer Lumps (Große Gewächse). Streng genommen ist dies dann weinrechtlich kein Lagenwein, sondern ein mit einem Phantasienamen etikettierter Wein. | Muss mindestens das Mostgewicht für Kabinett haben (in Franken 78°Oechsle= 10,4% Alkohol) und darf frühestens am 1. März des auf die Ernte folgenden Jahrs verkauft werden | Trocken: Erstes Gewächs bzw. Großes Gewächs Restsüß: Erste Lage bzw. Große Lage |
* Die Angabe des Worts „Region“ ist erst ab Jahrgang 2026 verpflichtend. Dann darf auch bei der Großlage nur noch dann der jeweilige Ort angegeben werden, wenn die Weine genau aus diesem Ort kommen.
Was bedeutet das beim Kauf eines Weins?
Grundproblem ist wie immer, dass es keine Definitionen darüber gibt, wie ein Wein der jeweiligen Kategorie ausgebaut sein muss. Die Angabe international berühmter Weinlagen wie Scharzhofberg, Wehlener Sonnenuhr, Westhofener Morstein, Würzburger Stein, Assmannshäuser Höllenberg etc. allein bürgt daher nicht für Qualität. Auch in diesen Lagen kann sich ein Wein aus jeder beliebigen Rebsorte, jeder beliebigen Geschmacksrichtung, jedem Ausbaustil und jeder beliebigen, gerade für Qualitätswein akzeptierten Qualität verbergen. In den letzten Jahren setzen Qualitätswinzer zwar immer mehr auf die Qualitätspyramide (Gutswein, Ortswein, Lagenwein) die auch der VDP etabliert hat. Eine Garantie ist dies jedoch auch nicht: Was Winzer A für einen besonderen Lagenwein hält, ist bei Winzer B gerade für Gutswein geeignet.
Nur der VDP hat hier engere Kriterien. Hier sind die Qualitätspyramiden in der Regel schlüssig. Zudem weisen Lagenweine (Erste Gewächse und Große Gewächse) eine recht hohe durchschnittliche Qualität auf.
Hinzu kommt immer noch die irreführende Großlage. Qualitätswinzer nutzen diese heute in der Regel zwar nicht mehr auf dem Etikett, doch leider ist vor 2026 eine Großlage für den Konsumenten nicht als solche zu erkennen. Hinter Volkacher Kirchberg, Kröver Nacktarsch, Oppenheimer Krötenbrunnen oder Würzburger Marienberg verbergen sich eben keine einzelnen Weinberge, sondern eine ganze Menge Weinbauflächen.
Der Bereich spielt nur eine untergeordnete Rolle auf Etiketten und lässt sich von einer Lage in der Regel gut differenzieren. Hier und da wird er touristisch genutzt und dann auch von Qualitätswinzern auf den Flaschen verwendet (z.B. Bereich Churfranken).
Ohne eine Winzerempfehlung und die Kenntnis über seinen Umgang mit den Bezeichnungen ist die Lage kein guter Indikator für Qualität (Ausnahme: Weine von VDP-Mitgliedern).
Meine Kritik am aktuellen System
- Mutlosigkeit bei der Großlage:
Die Großlage war schon bei ihrer Einführung 1971 eine gesetzlich geschützte Verbrauchertäuschung ersten Ranges. Durch das Einführen des Worts „Region“ ab 2026 ist es zwar etwas entschärft worden, aber hätte man wirklich einen Übergang in ein französisches System gewollt, hätte man die Großlage bei der letzten Gesetzesnovellierung abschaffen müssen. In den allermeisten Fällen wird die Großlage auch nur von Produzenten genutzt, die billige, einfache Weine mit blumigeren Namen verkaufen wollen. Verbrauchertäuschung halt, gesetzlich geschützt. - Es fehlen Qualitätskriterien überall:
Quasi jeder Wein kann ein Lagenwein werden. Die Hürden für einen Qualitätswein sind wie schon weiter oben beschrieben erschreckend gering.
Das Instrumentarium für die Implementierung von Qualitätskriterien ist da: Die g.U. der Europäischen Union. Nur auf welcher Basis implementiert man diese? Sicher nicht auf Basis des Anbaugebiets. Dafür sind die Anbaugebiete zu vielfältig. Bereiche könnten die Basis sein, die müssten dann aber in vielen Weinbaugebieten nochmal neu geschnitten werden. Ein schönes Beispiel sind hier die Bereiche „Obermosel“ und „Moseltor“ im Weinbaugebiet Mosel. Während am Rest der Mosel geologisch Schieferböden vorherrschen sind die beiden Bereiche schon Teil des „Pariser Beckens“ mit Muschelkalk und Keuperböden. Entsprechend anders ist dort der Rebsortenspiegel. Burgunderrebsorten und Elbling sind vorherrschend, im Rest der Mosel ist es Riesling. So ließe sich eine g.U. Moseltor gründen mit einer klaren Qualitätspyramide basierend auf wenigen Burgunderrebsorten. Die anderen Bereiche könnten an Riesling g.U. arbeiten, sofern sie Müller-Thurgau nicht für eine Visitenkarte der Mosel hielten. Ich fürchte jedoch, dass das scheitern wird. Es gibt zu viele Winzer/Genossenschaften/Weinkellereien, die auf den bestehenden Privilegien beharren werden und natürlich weiterhin gern einen halbtrockenen Riesling unter einer Lagenbezeichnung der g.U. Moseltor verkaufen wollen oder einen Müller-Thurgau unter der g.U. Terrassenmosel. - Potential sehe ich daher nur für eine g.u. aus einer einzelnen Lage, die im Besitz weniger Winzer ist, die eine ähnliche Verkaufsstrategie haben. Ggf. ist eine Einigung über eine „Niersteiner Pettenthal“ g.U. (Riesling, geringe Erträge, Handlese, Verbot von diversen Schönungen, etc.) noch einfach zu erzielen. Voraussetzung wäre, dass die Winzer, die dort aktuell andere Rebsorten stehen haben oder die definierten Qualitätskriterien nicht mitgehen möchten, bereit sind, die Lage nicht mehr auf ihre Flaschen zu schreiben. Bei einer „Roter Hang“ g.U. (das könnte ein neuer Bereich sein) die fast alle Niersteiner und Nackenheimer Lagen umfassen würde, sehe ich schon deutlich geringere Chancen für eine Einigung auf echte Qualitätskriterien. Dabei wären die etwa 210ha eine aus meiner Sicht schöne, weil relevante Größenordnung für solch ein Projekt und damit ein klares Qualitätsversprechen. So wie in Pouilly-Fumé: Ein Kauf einer Flasche Rheinhessen/Roter Hang g.U. könnte ohne weiteren Blick auf das Etikett zu einem trockenen Riesling, mit herkunftstypischer Fruchtaromatik und einer durch Ertragsbegrenzung und Vorgabe von gewissen Techniken hohen Mindestqualität führen. Ich fände das super, doch davon sind wir weit entfernt.
Und nun? Auf was achte ich nun vor dem Weinregal?
Erst einmal danke fürs Durchhalten. Aber ich habe es zu Anfang gesagt, es ist kompliziert.
Nachfolgend zum Schluss in absteigender Reihenfolge nochmal die für mich wesentlichen Faktoren, um vom Etikett auf Stil und Qualität zu schließen
- Produzent: Das ist mit Abstand die wichtigste Angabe. Hierfür brauchst Du aber Empfehlungen: Vom Händler, von Freunden, von Sommeliers in Restaurants, aus Weinmagazinen oder Weinführern, aus sozialen Netzwerken oder Weinblogs wie diesem. Wenn Du schon am Weinregal stehst ist es zu spät.
- Rebsorten: Trotz aller Einschränkungen. Rebsorten zeigen am ehesten das Grundprofil eines Weins auf.
- Geschmacksrichtung: Nur wenn trocken oder Großes Gewächs oder Erstes Gewächs auf der Flasche steht, ist der Wein trotz der riesigen Zuckerspanne zumindest nicht richtig süß.
- Alkoholgehalt bei trockenen Weinen: Kraftvoll oder elegant? Der Alkoholgehalt ist ein ganz zuverlässiger Gradmesser
- Prädikat bei restsüßem Wein: Trotz fehlender Obergrenze, ein Kabinett sollte sich stilistisch von einer Auslese unterscheiden lassen
Herkunft und Lage sind quasi irrelevant, es gibt nur wenige traditionell bestehende Weintypen, die grob als Visitenkarte von Regionen stehen, z.B.:
- Mosel-Riesling (alle Geschmacksrichtungen)
- Rheingau-Riesling (trocken)
- Ahr-Spätburgunder (trocken)
- Franken-Silvaner (trocken)
g.U. gut, alles gut? Die Nerd-Zusammenfassung
Einigen Lesern, die durchgehalten haben, ist bis hierhin wahrscheinlich endgültig das Messer in der Tasche aufgegangen.
„Ich habe schon so viele französische AOP-Weine getrunken, die nicht gut waren, das System der g.U./Appellationen taugt doch nichts.“, kann ein Einwand sein.
Das ist richtig wie falsch.
Eine g.U. kann grundsätzlich zwei Dinge:
- Einen Stil definieren
- Ein Qualitätslevel festlegen
Gut formulierte Produktspezifikationen geben in der Regel auf jeden Fall einen Stil verbunden mit einer gewissen Mindestqualität vor:
- Festlegung von Rebsorte(n) oder Cuvéepartnern
- Festlegung von Geschmacksrichtungen
- Festlegung von ha-Erträgen
- Festlegung von grundsätzlichen Produktionseckdaten (z.B. Holz oder Stahl, Verkaufsstart etc.)
Damit lässt eine solche g.U. zwar eine gewisse, ggf. sogar hohe Schwankungsbreite in der Qualität zu, der Käufer weiß aber grundsätzlich schon, auf welchen Weinstil er sich einlässt, wenn er eine Flasche des Weins zum Beispiel zum Essen im Restaurant bestellt. Wenn er der Weinauswahl des Restaurants bzw. dem Sommelier zumindest grundsätzlich vertraut, dürfte er dann auch bekommen, was er erwartet. Ein aus meiner Sicht gutes Beispiel ist hier Chianti Classico (nicht zu verwechseln mit Chianti (ohne Classico, das ist eine andere, weniger eng definierte g. U.)). Leider sind beim Chianti Classico zwar die Produktspezifikationen im EU-Register eher rudimentär, werden aber durch die Ergänzungen in den Regularien des „Consorzio“ – der Schutzgemeinschaft zu guten Produktspezifikationen.
Ein Chianti Classico ist:
- Ein Wein der in bestimmten Weinbergen im Classico-Gebiet auf insgesamt ca. 7.500ha gewachsen ist
- Besteht aus 80% Sangiovese mit max. 20% beliebigen roten Cuvée-Partnern
- Hat mind. 12% Alkohol und mind. 24g/l nicht flüchtigen Extrakt
- Wurde mit 52,5hl/ha Maximalertrag geerntet
- Wurde mind. 12 Monate gelagert
- Besteht eine organoleptische Prüfung
- Hat max. 4g/l Restzucker
- Die Pflanzdichte beträgt mind. 4.400 Reben/ha
Das ist im Vergleich zum weiter oben erwähnten „Pouilly Fumé“ natürlich wenig, entsprechend breit ist die Qualitätsspanne, aber entsprechend groß ist auch die Weinmenge, die auf den vielen ha des Gebiets produziert wird. Dennoch ist vollkommen klar, dass Chianti Classico für einen trockenen Rotwein maßgeblich aus Sangiovese steht.
Wieder als Vergleich: Baden (15.000ha): „Wein aus einer beliebigen Rebsorte, einer beliebigen Geschmacksrichtung, der minimalen Qualitätsanforderungen gerecht wird und in Baden gewachsen ist“.
Chianti ist übrigens neben französischen Regionen einer der Vorreiter in Sachen Appellation. Bereits in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts (Zum Vergleich: in Teilen von Bordeaux bereits in den 20er-30er Jahren) wurden hier Produktionskriterien vorgeschrieben, vereinheitlicht und auch stets überarbeitet. Aus meiner Sicht ein Erfolgsprodukt, obwohl hier sowohl gute, sehr gute und hervorragende Weine unter dem gleichen Label des schwarzen Hahns produziert werden.
Ein Beispiel für eine kleinere, hochqualitative g.U. hatten wir oben schon mit Pouilly Fumé. Häufig sind das dann auch Sub-g.U. Diese gibt es sowohl klassisch auf Basis von Gebiets-g.U., Orts-g.U., Lagen-g.U. als auch über Qualitätskriterien für den Ausbau (Reserve/Grand Reserve) oder in einer Mischung. In Teilen des Bordeaux z.B. kommt dann doch eine fragwürdige, aber traditionell anerkannte Winzerklassifizierung dazu. Grand Cru darf nur der produzieren, der vor über 100 Jahren mal als besonders guter Produzent bewertet wurde – Änderungen ausgeschlossen – Traditionskrampf par excellence.
Das Beispiel Bordeaux zeigt natürlich auch, dass Appellationen und g.U. kein Garant für Jahrhunderte anhaltenden Erfolg sind. Immerhin geht es der Bordeaux-Region insgesamt in den letzten 20 Jahren eher nicht gut. Absatzrückgänge treffen die Region hart, Weinbergsrodungen werden den Winzern bezahlt, um die Menge an Bordeauxwein einzudämmen. Gleichzeitig kommen aber einige der weltweit bestbezahlten Weine aus dem Bordeaux.
Die Gründe für die Misere sind sicher vielfältig. Schwach formulierte und schlecht über die Jahre gepflegte Basis-Appellationen (z.B. die klassische Appellation „Bordeaux“ ohne weitere engere Angaben) und Vermarktungsschwächen großer Mengen sind neben verkrusteten Grand Cru-Strukturen sicher nur Teile der Wahrheit.
Und natürlich gibt es auch schwach formulierte Appellationen in Frankreich und Italien. Am Ende ist das ja auch okay, solange der Wein getrunken wird. Am besten direkt vor Ort. Wo der Trinker den Winzer kennt. Je weiter ich mich als Winzer geographisch oder bezüglich Vertriebsstruktur vom Kunden entferne, desto wichtiger sind auf der anderen Seite klare Kriterien.
Wieder als Beispiel:
Der Hamburger Supermarktkunde (selbst bei einem Top-Weinangebot im inhabergeführten Edeka) muss Franken erstmal so definieren: „Wein aus einer beliebigen Rebsorte, einer beliebigen Geschmacksrichtung, der minimalen Qualitätsanforderungen gerecht wird und in Franken gewachsen ist“. Das ist mehr als suboptimal – da würde ich erstmal lieber zu einem Sancerre oder Chianti greifen – zur Sicherheit.
g.U. gibt es nicht nur beim Wein
Ein kleiner Blick zu anderen Leckereien lohnt, denn das System von g.U. und g.g.A. ist nicht nur auf Wein beschränkt:
Nehmen wir französische Käse. Frankreich ist ein Land der Großmolkereien, Danone und Lactalis sind zwei der drei größten Milchkonzerne der Welt. Dennoch gibt es in Frankreich weiterhin hervorragende Käse aus kleinen und mittleren Molkereien, die teilweise auch auf Bauernhöfen in kleiner Stückzahl hergestellt werden. Meine klare Hypothese ist: Hätten sich die regionalen Produzenten nicht frühzeitig zusammengetan, um z.B. für Epoisses, Munster und Valencay entsprechend einheitliche und mehr oder weniger auf handwerkliche Herstellung ausgelegte Produktionsprozesse und Qualitätskriterien festzulegen, dann wäre es heute auch weitgehend vorbei mit der französischen Käsekultur in dieser Tiefe. Einzelne Käsesorten hätten ggf. als industrielle Produkte großer Milchkonzerne in einer Basisqualität weiter existiert und ein paar Bauern würden auf lokalen Bauernmärkten noch den einen oder anderen Käse nach alter Rezeptur verkaufen. Aber an einen solchen hochqualitativen Käse hier in Deutschland zu kommen, wäre aus meiner Sicht aussichtslos.
Ein zweites Beispiel wäre der italienische Parma-Schinken. Die Produktion rund um Parma ist nicht so handwerklich geregelt, wie in den Käse-AOP Frankreichs und die durchschnittliche Qualität nicht ganz so hoch. Und dennoch, heute ist das eine Weltmarke für guten luftgetrockneten Schinken. Drei Dorfbauern in der italienischen Provinz hätten das allein nicht geschafft. Auch hier sind gemeinsames Handeln und festlegen der Produktionsschritte und Mindestqualitäten wesentlich.
Würde man die Parmaschinken GU in die Logik der Rheingauer Wein-g.U. übersetzen, müsste sie lauten „Irgendein Wurst- oder Schinkenprodukt mit beliebiger Würzung vom Schwein, das unter Mindestbedingungen gehalten wurde und für das es keine besonderen Produktionsstandards gibt, bei dem die Produktion aber in der Region Parma stattfand“. Ich sag mal so, das wäre kein Welterfolg geworden.
Daher und final: Nur die klare Herausbildung von Appellationen wird dem Deutschen Wein nachhaltig Erfolg bescheren
Der deutsche Weinmarkt ist äußerst vielfältig und bis heute verfolgen unterschiedliche Gruppen unterschiedliche Interessen beim Verkauf ihrer Weine.
Ganz grob gibt es drei Gruppen:
- Winzer (im Prinzip noch zu unterscheiden zwischen national und international bekannten und präsenten auf der einen und lokal agierenden auf der anderen Seite)
- Genossenschaften
- Weinkellereien
Im Topclub der Gruppe 1 scheint es aktuell ganz gut zu laufen. Im VDP sind Preiserhöhungen über Inflation in den letzten Jahren üblich und möglich gewesen. In der Spitze bei den Großen Gewächsen sogar in einem exorbitanten Rahmen. Davon profitieren auch einige Nicht-VDP-Winzer, die es geschafft haben, über Weinmagazine, Weinführer, Social Media etc. in gewissen Trinkergruppen „in“ zu sein. Diese können ebenfalls eine sehr gute bis hervorragende Qualität zu vermutlich auskömmlichen Preisen anbieten.
Darunter wird es schon schwierig. Steillagenriesling an der Mosel für 4,50 EUR die Flasche. Das gibt es noch viel zu häufig. Weine für 6 EUR, die mit Weinen für 15 oder mehr Euro qualitätsmäßig mithalten können auch. Für den Trinker ist das gut, für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Betriebe nicht. Vielfach sind niedrige Preise natürlich mit niedriger Qualität gekoppelt, aber oft auch aus dem Grund, dass eben auch mit höherer Qualität marktseitig kaum ein höherer Preis erzielbar wäre. Ein Winzer ist schon längst nicht mehr nur Landwirt, sondern muss genauso Betriebswirt und Marketingexperte sein.
Bei den Genossen sieht die Situation insgesamt noch ungünstiger aus. Die Berichte von Genossenschaften in Schieflage mehren sich. Hinsichtlich Qualität stecken sie in dem Dilemma, dass die Winzer, von denen die Genossenschaften die Trauben „kaufen“, gleichzeitig Eigentümer der Genossenschaft sind. Daher ist es nicht leicht, klare Qualitätskriterien vorzugeben, bzw. die gezahlten Preise an die Qualität zu koppeln. Zudem kommen bei großen Genossenschaften große Mengen zusammen, die nur über den Lebensmitteleinzelhandel verkauft werden können und dort mit den Kellereien konkurrieren. Da ist die Angst natürlich groß, bei Änderungen im Bezeichnungsrecht Kunden zu verwirren und zu verlieren.
Die Kellereien bilden die Basis. Ein möglichst niedriger Preis ist das Ziel. Partner der Kellereien sind Winzer, die Trauben oder Rohweine zu sehr niedrigen Preisen an die Kellereien verkaufen, die diese dann industriell zu fertigen Weinen zusammenmischen. nicht nur für den inländischen Markt, sondern auch für den Export (Hock, Liebfraumilch etc.). Ökologisch und ökonomisch nachhaltig ist da wenig. Die Massenschweinequalzucht des Weinbaus quasi. Diese Kellereien sind natürlich insbesondere der Meinung, auf blumige Lagen- und Weinbezeichnungen für allerlei einfachste Weine angewiesen zu sein.
Viele Weinfans betrachten nur den Topclub und verkennen, dass zur Weinkultur in Deutschland eben viel mehr gehört. Würden alle anderen Betriebe ihren Betrieb einstellen, bliebe nicht viel von der Weinkultur und an der Mosel würden mehr Streuobstwiesen und kahle Steilhänge bestehen, als Weinberge.
Betrieb aufgeben? Ja, die Tendenz ist zu erkennen. Der durchschnittliche Weinbaubetrieb wird größer, viele kleine geben auf, viele Nebenerwerbswinzer bei den Genossen ebenso.
Die Branche insgesamt sieht sich zudem mit immer geringerem Weinkonsum, Preissteigerungen und immer höheren bürokratischen und Umweltauflagen konfrontiert. Gleichzeitig kann sie aber Mehrkosten nur schlecht weitergeben.
Ein weiter so kann es aus meiner Sicht nicht geben. Denn selbst bei mutigen Schritten werden wir in den nächsten definitiv einen deutlichen Rückgang von Weinbaubetrieben und Weinbauflächen in Deutschland sehen. Ohne mutige Schritte droht der Kahlschlag.
Die verbliebenen Betriebe müssen immer findiger sein, um ihre Weine für ausreichende Preise verkaufen zu können.
Ohne eine gute Basisqualität und ein gemeinsames Erschließen der Märkte wird das für viele Produzenten zum Problem werden, da sie viel zu klein und unbedeutend sind um im Marketingkarussell derer mitzufahren, die sich heute schon von der Masse abgehoben haben.
Die klare Definition von Appellationen ist zwar kein Allheilmittel, aber für mich dennoch einer der wesentlichen Bausteine, dies zu erreichen. Was nutzt ein Gießkannen-Marketingkonzept des Weinbauverbands, wenn man gemeinsam zielgenau für eine bestimmte Region und einen bestimmten Weintyp werben kann?
Und: In Zeiten von Onlinehandel, Kauf im Supermarkt und Verteuerung von individuellem Ausflugsverkehr in Weinregionen, brauchen wir einfach mehr Transparenz für den Trinker darüber, was er erwarten darf, wenn er eine Flasche Wein aussucht, jeden Tag eine Wundertüte, das macht den meisten keinen Spaß, Naturprodukt hin oder her.
Dabei geht es gerade nicht um den oben genannten Top-Club. Wer als Winzer national oder international einen Namen hat, braucht im Prinzip keine Appellationen. Markus Schneider aus der Pfalz spielt vielleicht nicht bezüglich der Qualität im Top Club, aber ganz sicher bezüglich seines wirtschaftlichen Erfolgs. Er verzichtet heute schon größtenteils darauf und hat dennoch Erfolg mit „massenkompatiblen“ Weinen. Auch kommt es sicher nicht darauf an, dass jeder hochwertige Wein auch einen Platz in einer Appellation bekommt. Es spricht nichts dagegen, wenn der hochgelobte trockene Gewürztraminer von Top-Winzer X keine Lagenangabe tragen dürfte. Der Winzername zieht. Bestes Beispiel sind die Protagonisten der badischen Landweinconnection.
Interessant ist eine Markenbildung erstmal an der Basis und in der Mitte. Weniger Klein-Klein und mehr gemeinsames Handeln. Nicht „20 Rebsorten in trocken, halbtrocken und lieblich“, sondern den Markt zielgenauer nutzen. Das geht auch ohne Täuschung und Nivellierung von Qualitätsstufen.
Insofern der Aufruf an die Schutzgemeinschaften: Denkt langfristig und nicht nur bis zur nächsten Ernte. Arbeitet zusammen, nehmt das Heft der Weinbaupolitik wieder in die eigene Hand und setzt die Ämter konstruktiv mit eigenen Vorschlägen unter Druck. Hart ist das in jeder Appellation in jedem Land. Aber es ist klar im Sinne des eigenen Erfolgs und einer nachhaltigen deutschen Weinkultur.