Wenn die VDP.Erste Lage plötzlich keine Lage sondern ein Zweitweincuveé ist – Verabschiedet sich der VDP von einer gemeinsamen Klassifikation?

Veröffentlicht in: Themen | 0

Update 19.07.2023

Am 13.07. hat der VDP eine Pressemitteilung zur Klassifikation herausgebracht. Holla dachte ich – ggf. wurde die Thematik der “abtrünningen” Regionen besprochen.

Aber Nein, auch hier wieder Fehlanzeige. Der VDP plant, die Qualität seiner ersten und großen Lagen zu überprüfen. Ziel ist es zu schauen, ob die Weinberge wirklich die bei der Ernnenung zur ersten bzw. großen Lage erstellte Potentialabschätzung nun tatsächlich auch erfüllen. Dazu sollen neue Lagen unter die Lupe genommen werden. Das ganze ist löblich und gut, denn nur eine lebende Klassifikation ist eine gute. Es bleibt jedoch dabei: Eine schlecht kommunizierte und regional verkomplizierte Klassifikation ist eher schlecht – schade.

Update 14.05.2023 auf Basis aktueller Preisliste von Fritz Haag (direkt im Text in rot):

Gemäß VDP-Homepage besteht die VDP-Klassifikation aus 4 Stufen. Es gilt der Grundsatz, je enger die Herkunft, desto höher die Qualität der Weine. Erste Lagen und Große Lagen wurden seitens des VDP parzellenscharf klassifiziert, die trockenen Weine hieraus sind das Große Gewächs und das Erste Gewächs (Bisher Erste Lage). Damit ist für jeden Konsumenten an sich klar: Es gibt Top-Lagen und Fast-Top-Lagen und jeweils pro Rebsorte und Weingut einen Wein aus diesen Lagen. Der Schatz der VDP-Weingüter quasi.
Gutswein und Ortswein auf den unteren Stufen stellen nicht nur die breite gute Basis dar, sondern sie fangen seit jeher dabei Besonderheiten ab. So ist der G-Max Riesling von Keller aus Rheinhessen als auf dem Zweitmarkt teuerster trockener Riesling der Welt kein Wein aus einer traditionellen Weinlage und damit kein Großes Gewächs, sondern eine Lagencuveé und in diesem Fall ohne Ortsangabe ein VDP.Gutswein. Nicht viel anders der “Brauneberger Riesling J” von Fritz Haag, der eben für eine Zweitselektion aus den Juffer-Weinbergen “J” steht und ein VDP.Ortswein ist. Auch der “Eierfels” von Schlossgut Diel ist als Lagencuveé aus großen Lagen der Kategorie VDP.Ortswein zugeordnet. Natürlich sind all die genannten Beispiele teurer als ein “normaler” Guts- oder Ortswein, was mit deren Machart aber auch im Einklang steht und erklärbar ist. GG und EG bleiben dennoch an der Spitze geschützt.

In den unteren beiden Ebenen gibt es viele Klassifikationen/Appellationen, die ähnlich organisiert sind. In der Spitze wird alternativ zu einer zweistufigen Lagenklassifikation auch gern ein Modell mit einem Zweitwein genutzt, der manchmal aus jüngeren Reben einer „großen Lage“ besteht, manchmal auch eine Lagencuveé sein kann. Bisher hatte der VDP aus meiner Sicht das Thema Zweitwein für sich ausgeschlossen.

Wie auch immer ein Verband seine Klassifikation aufbaut, eine gewisse Klarheit und eine überschaubare Komplexität macht für den Verbraucher viel Sinn und dient am Ende ja auch dazu, den Vertrieb zu erleichtern.

Damit eine überschaubare Komplexität erreicht werden kann, ist klar, dass nicht der Wunsch eines jeden Winzers erfüllt werden kann. Genauso ist aber auch klar, dass Winzer auf ihre individuellen Besonderheiten nicht verzichten wollen und hierfür ein „Ventil“ brauchen. Beim VDP ist es eben der Ortswein und der Gutswein.

 

Mehrere Regionen im VDP entschieden sich bei der Einführung der Klassifikation dazu, keine „Erste Lage“ auszuweisen. Im Falle der Mosel und Ahr mit ihrer Fülle von erstklassigen Steillagen ist das für mich nachvollziehbar. Im Falle von Rheinhessen, mit dem dort bestehenden, vielfältigen Lagenportfolio war das sicherlich forsch.

Bereits mit Jahrgang 2018 hat dann Rheinhessen auch einen ersten Alleingang gestartet und die Kategorie VDP.Ortswein aus ersten Lagen eingeführt. Dazu wurden zusätzliche Weinbergsflächen als erste Lagen klassifiziert (allerdings ohne die Lagen namentlich zu erwähnen).

Da dieser Alleingang vom Bundesverband nie offiziell kommuniziert wurde, muss man auf den Erzeugerwebseiten zusammensuchen, was nun in den VDP.Ortsweinen aus ersten Lagen enthalten ist.

Die Recherche ergab, dass es sich um Lagencuveés aus großen Lagen und den Flächen für erste Lagen auf Ortsebene handelt. Also ist das ganze näher am Zweitwein, als an einem Lagenwein, aber immerhin auch gleichzeitig ein Premium-Ortswein, den es von verschiedenen Winzern unter diversen Bezeichnungen schon gibt. Ein kleiner Aufreger ist hier höchstens, dass die Flaschen dieser Kategorie das 1G-Logo tragen dürfen, genau wie „echte“ Lagenweine aus erster Lage.

 

Neue Alleingänge in Rheinhessen und an der Mosel

Mit Jahrgang 2022 gibt es nun eine weitere Welle des Alleingangs. Dieses Mal an der Mosel und wieder in Rheinhessen.

Rheinhessen ist einfach erklärt: Man führt die waschechte erste Lage ein, behält den Ortswein aus ersten Lagen aber zunächst bei. D.h. die Klassifikation ist in Rheinhessen nun fünfstufig. Also VDP Original plus Zweitwein.

An der Mosel scheint es letztendlich ähnlich zu sein, wobei die konkrete Ausgestaltung der ersten Lage offen ist. Mangels offizieller Kommunikation muss der Konsument sich die Fakten wieder selbst zusammen suchen.

Im Webshop von Maximin Grünhaus findet sich nun statt dem Ortswein ein Grünhäuser 1G. Der Wein wird klar als Kategorie „erste Lage“ beschrieben und vermarktet, ist aber eine Lagencuveé aus den großen Lagen in Mertesdorf.

Auf Händler- und sonstigen Drittseiten sind zudem der Brauneberger J von Fritz Haag als „aus ersten Lagen“ als auch der Blauschiefer von Heymann-Löwenstein als „Koberner Ortswein aus ersten Lagen“ zu finden.

Preisliste 2023 Fritz Haag
Quelle: Preisliste 2023 Weingut Fritz Haag, Brauneberg

Im Falle Fritz Haag hat sich die Aussage des Händlers anhand der aktuellsten Preisliste bestätigt. Die Kategorie Ortswein ist – zumindest im Moment – nicht mehr vorhanden, und der ehemalige “J” ist zu “aus ersten Lagen” aufgestiegen. Genauso wie bei Maximin Grünhaus also.

Dass Grünhaus die Beschlüsse des Regionalverbands falsch verstanden hat, halte ich für ausgeschlossen, denn schließlich ist Dr. Carl von Schubert auch Präsident des Regionalverbands. Das Beispiel Heymann-Löwenstein „Ortswein aus ersten Lagen“ müsste noch weiter verifiziert werden.

Ob, wie in Rheinhessen, zusätzliche Flächen oder gar „echte“ Weinlagen als Erste Lage ausgewiesen werden, bleibt ebenfalls zum aktuellen Zeitpunkt offen.

Insgesamt sieht die Klassifikation nun also voraussichtlich so aus – an der Mosel noch mit vielen Fragezeichen:

StufeVDP BundesverbandVDP RheinhessenVDP Mosel
VDP.Große Lage/Großes Gewächs mit GG-LogoMax. 1 Wein pro zugelassener Rebsorte aus klassifizierter WeinlageMax. 1 Wein pro zugelassener Rebsorte aus klassifizierter WeinlageMax. 1 Wein pro zugelassener Rebsorte aus klassifizierter Weinlage
VDP.Erste Lage/Erstes Gewächs mit 1G-LogoMax. 1 Wein pro zugelassener Rebsorte aus klassifizierter WeinlageMax. 1 Wein pro zugelassener Rebsorte aus klassifizierter Weinlageunbekannt?
VDP.Aus ersten Lagen mit 1G-LogounbekanntunbekanntLagencuveé aus verschiedenen als Große Lage (und erste Lage?) zertifizierten Weinlagen (oder Flächen?), (ggf. eingeschränkt auf Ortsebene?)
VDP.Ortswein aus ersten Lagen mit 1G-LogounbekanntLagencuveé aus als große Lage klassifizierten Weinlagen und nicht näher benannten Flächen, die als erste Lage zertifiziert sind, auf Ortsebeneunklar ob geplant (siehe Beispiel Heymann-Löwenstein)
VDP.OrtsweinWein aus verschiedenen Weinlagen (auch erste oder große Lagen) auf OrtsebeneWein aus verschiedenen Weinlagen (auch erste oder große Lagen) auf OrtsebeneWein aus verschiedenen Weinlagen (auch erste oder große Lagen) auf Ortsebene
VDP.GutsweinWein aus verschiedenen Weinlagen (auch erste oder große Lagen) des WeingutsWein aus verschiedenen Weinlagen (auch erste oder große Lagen) des WeingutsWein aus verschiedenen Weinlagen (auch erste oder große Lagen) des Weinguts

Stärkere Ausdifferenzierung = mehr Umsatz

Warum die Winzer hier mehr Spielraum möchten, liegt auf der Hand. Die Preise für GG sind in den letzten Jahren bei den Spitzenbetrieben sehr stark gestiegen, viel stärker, als die Preise für Ortsweine. Da ist es natürlich lukrativ, die große Lücke dazwischen besser füllen zu können. Dazu passt auch, dass in den Regionalverbänden Uneinigkeit darüber besteht, was ein Wein einer bestimmten Kategorie mindestens kosten soll. Einigen Spitzenwinzern seien die „günstigen“ Preise anderer VDP-Mitglieder ein Dorn im Auge, wird hinter vorgehaltener Hand berichtet.

Im Prinzip ist es ja auch kein Thema, nein, es ist sogar erforderlich eine festgelegte Klassifikation laufend zu hinterfragen und bei Bedarf zu optimieren.

Dennoch möchte ich hier drei Punkte kritisieren:

  1. Die Regelungen an der Mosel scheinen, soweit kommuniziert, unlogisch und weichen die Klassifikationsstufe „Erste Lage“ auf, indem Weine als Erste Lage/1G verkauft werden, die aus mehreren Lagen stammen.
  2. Die Verwendung des 1G-Logos auf Lagencuveés der Kategorie Ortswein verwässert ebenfalls die Marke erste Lage und ist aus meiner Sicht auch gegenüber dem Verbraucher eher verwirrend.
  3. Die neue Fünfstufigkeit in einem Teil des VDP schwächt ingesamt die Klassifikation, macht sie unübersichtlicher und weniger verständlich, dabei war die Einfachheit der VDP Klassifikation einer ihrer größten Vorteile.

 

Communication wäre King

Über allem schwebt aber der Kritikpunkt schlechter bzw. fehlender Kommunikation. Die ausgebliebene Stellungnahme des Bundesverbands gegenüber dem Meininger Verlag spricht Bände und legt offen, dass sich die Mitglieder des Verbands uneinig sind, Entscheidungen nicht gemeinsam getroffen werden. So können die Regionalverbände natürlich auch nicht mit Kommunikationssupport aus der Mainzer Bundesgeschäftsstelle rechnen, scheinen aber gleichzeitig auch nicht in der Lage, selbst klar und offen zu kommunizieren.

Stünde hier ein örtlicher Weinbauverein mit unklarer eigener Klassifikation im Mittelpunkt, wäre das Thema auch nicht weiter berichtenswert, beim VDP sind hier meine Erwartungen aber höher. Zum einen, da der Verband zweifelsohne die Spitze des deutschen Weinbaus vertritt zum anderen und vor allem aber, weil sich der VDP im Rahmen der Entwicklung des neuen Weinrechts lautstark geäußert und sich hinsichtlich Verzicht durch Fokussierung und konsequenter Herkunftsprofilierung mit starken Worten politisch positioniert hat. Klarheit und Fokussierung scheinen aber nicht mehr unbedingt im eigenen Interesse zu sein.

Aber wer weiß, vielleicht folgt ja noch eine klare Kommunikation. Ich behalte das Thema im Blick.

Vielen Dank an den Schnutentunker, der das Thema in der Branche als erster schriftlich kommuniziert hat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert