Die Weine von Sven Nieger verfolge ich dank dem Weinhandel K&M Gutsweine in Frankfurt schon fast seit der Gründung seines Weinguts. Kunststück, Sven Nieger feiert 2023 erst den 10. Geburtstag seines Weinguts. Damit blickt er nicht auf eine Jahrhunderte alte Familientradition zurück, sondern gründete nach Abschluss in Geisenheim und angestellter Tätigkeit zunächst ein kleines Garagenweingut. Zwischenzeitlich ist die Garage zu klein geworden, da Sven 15ha in diversen Steillagen bewirtschaftet und eine neue, moderne Produktionsstätte wurde errichtet.
Er hat von Anfang an alles anders gemacht. Statt in den dynamischen Jungwinzerregionen der Pfalz oder Rheinhessen zu gründen, wählte er Baden und dort auch keinen Hotspot wie den Kaiserstuhl, sondern die Gegend zwischen Baden-Baden und Bühl, wo große Namen rar sind und eher Genossenschaftsweine mit Affen auf dem Etikett eine größere Rolle spielen.
An den Böden liegt es nicht, an den Westhängen des Schwarzwalds dominieren vulkanische Böden wie Granit, Porphyr, Tuffstein – aber auch Sandstein. An sich gute Grundlagen für hervorragende Weine.
Anders sind auch die Namen von Svens Weinen. Neben Unbestechlich tummeln sich Underdog, Ungeschminkt oder Mauerblümchen im Portfolio. Ein Grund dafür ist sicher, dass Sven sich schnell davon verabschiedete, seine Weine durch die als besonders streng bekannte badische Qualitätsweinprüfung prügeln zu wollen.
Daher sind Sven Niegers Weine Landweine, auf deren Etiketten keine Weinlage erwähnt werden darf. In Baden ist er damit in bester Gesellschaft mit Weingütern wie Ziereisen, Wasenhaus oder Enderle & Moll, die allesamt diesen Weg gegangen sind, um individuelle, charaktervolle Weine jenseits des Mainstreams herstellen zu können.
Die Individualität der Weine von Sven misst sich dabei nicht nur am Inhalt der Flaschen, sondern auch am Flaschendesign und der Flaschenform. Sven verwendet eine überlange Bordeauxflasche auch für seine Rieslinge.
Überhaupt nicht „anders“ aber besonders sehen die Kritiker Svens Weine, schon seit Jahren heimst er hohe Bewertungen und Preise ein, national wie international.
Da ist es verwunderlich, das von seinen Spitzenweinen aktuell noch die Jahrgänge 2017 und 2019 ab Hof verkauft werden. Da Svens Weine etwas Zeit brauchen um sich zu entfalten, ist das für uns Trinker top, da beide Jahrgänge aktuell eine schöne Trinkreife haben, für den Winzer aber definitiv schlecht, auch wenn es sicher nicht Svens Intention ist, Weine möglichst früh auf den Markt zu bringen. Aber nur verkaufter Wein sichert die Zukunft eines Weinguts.
Die Weine
Vor kurzem haben wir mal wieder ein paar Weine bei Sven bestellt und als erstes einen Jahrgangsvergleich 2017/2019 vom Riesling Unbestechlich gemacht. Der Wein kommt aus dem Varnhalter Klosterbergfelsen.
Sven beschreibt den Wein als kompromisslos. Frucht sei nicht die Intention in der Herstellung dieses Weines.
Der Wein wurde teilweise im Holzfass ausgebaut. Beide Jahrgänge sind tatsächlich kompromisslos trocken (2017: 1,3g/l Restzucker, 2017 0,4g/l)
Sven Nieger – Riesling Unbestechlich 2017
Zurückhaltende Nase mit Schießpulver, grünpflanzlichen Noten und getrockneten mediterranen Kräutern.
Im Mund dicht aber schlank, viel schöner und feiner Gerbstoff zum Kauen, der ganz leicht am Gaumen antrocknet und Durst auf den nächsten Schluck macht. Pointierte, aber nicht spitze, zitronige Säure, ganz im Hintergrund etwas gelbe Früchte, Salz, grünpflanzliche Noten, etwas Tabak, aber auch nussige Noten. Unheimlich frisch und belebend und trotzdem tief und spannend.
Langer, feiner Abgang, kalkige Mineralität und Tabak bleiben.
Sven Nieger – Riesling Unbestechlich 2019
Nase mit Schießpulver, minimal gelber Frucht, getrockneten mediterranen Kräutern und einem Hauch Vanille – ätherischer und etwas reifer und runder als 2017.
Im Mund ebenfalls etwas „runder“ als 2017, mit genauso frischer Säure, die aber trotz fast gleichem Säurewert und etwas weniger Restzucker noch etwas eingebundener wirkt. Etwas feinere Tannine, die auch schon im Mund einen klar kalkigen Eindruck machen, Salz, grüner Pfeffer, wieder Tabak und eher feinere Kräuter als grüne Pflanzen und im Hintergrund auch etwas mehr gelbe Rieslingfrucht.
Langer Abgang, der etwas intensiver und komplexer erscheint.
Beide Weine sind komplex und trinkig zugleich, durch das gut eingebundene Holz und die Phenolik haben sie genug Substanz, um sich auch zum Essen entfalten zu können, bleiben dabei aber dennoch leichtfüßig genug, um als Solist getrunken werden zu wollen.
Spannend ist, wie schön beide Weine die gleiche Herkunft und Winzerhandschrift zeigen, der 2019er aus warmem Jahr nur geringfügig fülliger erscheint. In Erinnerung bleibt insbesondere die Lust auf den nächsten Schluck, die für mich aus der Kombination kompromissloser Trockenheit und der feinen Tannine entsteht. Hervorragend!
Ca. 28,50 EUR /PGV angemessen bis günstig
Schreibe einen Kommentar