Es ist vollbracht: Das neue Weinrecht ist beschlossen

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Mit dem Bundesratsbeschluss zur Weinverordnung in der Sitzung vom 26.03.2021 ist der Gesetzgebungsakt für die neue Weingesetzgebung abgeschlossen.

Ausführlich hatte ich mich in meinem Blogeintrag „Das neue Weingesetz – Mogelpackung oder Stellung von Weichen für die Zukunft?“ schon damit beschäftigt.

Beim Lesen der finalen Beschlüsse sind mir einige kleine Veränderung für den Konsumenten und eine große Veränderung bezgl. dem „Erstem Gewächs“ und einem „Großen Gewächs“ aufgefallen, die ich hier gern noch ergänzen möchte.

 

1. Region wird groß geschrieben

Wenigstens etwas: Bei Verwendung einer Großlage oder eines Bereichs auf dem Flaschenetikett ist künftig das Wort Region stets in gleicher Schriftgröße anzugeben, wie die Großlage/der Bereich selbst (der Entwurf sah Lupenpflicht vor).

 

2. Weißburgunder, Grauburgunder, Spätburgunder und Grüner Silvaner sind doch Qualitätsrebsorten

Die Verbotsliste von Rebsorten, die auf Flaschen der untersten Qualitätsstufe „Deutscher Wein“ nicht genannt werden dürfen wurde u.a. um die oben genannten erweitert. Relevanz hat das für den Konsumenten aus meiner Sicht nicht.

3. Wissembourg/Frankreich bleibt pfälzisch

Anders als das Ministerium sah der Bundesrat keine Verletzung des EU-Rechts darin, dass Weine von Weinbergen, die im französischen Wissembourg liegen, als deutscher Qualitätswein aus der Pfalz mit der Lagenbezeichnung Schweigener Sonnenberg vermarktet werden dürfen.

Damit ermöglicht das Gesetz diesen historisch bedingten Zustand weiterhin. In Schweigen ist hier sicher großes Aufatmen angesagt und ich freue mich mit den Winzern, da es ohne diese Lösung nur noch europäischen Wein ohne Jahrgangs- und Rebsortenbezeichnung aus diesen Lagen gegeben hätte.

Da es am Ende um etwa 100ha Fläche direkt angrenzend an den „echten“ Schweigener Sonnenberg geht, bewerte ich das als nerdiger Konsument jetzt auch unkritisch in Sachen Verbrauchertäuschung.

Der Schlusssatz der Begründung des Bundesrats lautet: „Eine Streichung der Regelung würde die Betroffenen zu den letzten Opfern diverser historischer deutsch-französischer Grenzstreitigkeiten machen, und das im Jahre 2020.“

Ich ganz persönlich finde es aber gerade im Kontext mit 2020 nicht wirklich gelungen, dass rechtlich eine französische Appellation im direkt benachbarten Deutschland nicht als Erzeugerabfüllung vinifiziert werden darf. Zumal es auch zwischen Österreich und Slowenien (und sicher auch an anderen Stellen in Europa) ähnliche Herausforderungen gibt.

 

4. Doch keine Rebsortenbeschränkung auf 12 Rebsorten pro g.U.

Den Punkt habe ich am 30.03. nachträglich eingefügt, weil er mir schlicht durchgerutscht ist. Das ist natürlich eine deutliche Verschlechterung des Kompromisses. Also kann es je nach regionalem Gusto z.B. künftig einen Cabernet Blanc Lagenwein geben, was bei unserer unheimlichen Vielfalt die Sache weiter extrem verkompliziert.

 

5. Große Gewächse für alle

Das ist sicher der überraschendste Punkt in der final beschlossenen Version der Weinverordnung. Das „Erste Gewächs“ (bisher nur im Rheingau gesetzlich geschützt) und das „Große Gewächs“ finden mit klaren Mindestkriterien ihren Platz im Weinrecht.

Das ist ganz sicher ein Verdienst des VDP, der zumindest das Große Gewächs und wegen des Rheingauer Schutzes des „Ersten Gewächs“ die „Erste Lage“ international bekannt gemacht hat.

Die Kriterien wurden wie folgt festgelegt (Zitate aus §32b der neuen Weinverordnung):

„Erstes Gewächs“:

Die Bezeichnung „Erstes Gewächs“ darf nur verwendet werden, wenn es sich um Qualitätswein der Weinart Weißwein oder Rotwein handelt und

  1. eine einzige Rebsorte angegeben wird,
  2. er ausschließlich aus Weintrauben von zum Gebietsprofil passenden Rebsorten hergestellt worden ist, ausgenommen die zur Süßung verwendeten Erzeugnisse,
  3. die zur Herstellung verwendeten Weintrauben von Rebflächen stammen, deren Ertrag 60 Hektoliter pro Hektar, soweit die verwendeten Weintrauben von Steillagenflächen im Sinne des § 34b Absatz 1 stammen, deren Ertrag 70 Hektoliter pro Hektar an Traubenmost um nicht mehr als 10% überschritten hat,
  4. die zur Herstellung verwendeten Weintrauben unter Berücksichtigung ihres Gesundheits- und Reifezustands selektiv gelesen worden sind,
  5. der zur Herstellung verwendete Most einen natürlichen Mindestalkoholgehalt von mindestens 11,0 Volumenprozent aufweist (Saale Unstrut, Sachsen, Mosel 10,5%),
  6. eine Einzellage oder eine kleinere geographische Einheit angegeben wird,
  7. der Jahrgang angegeben wird,
  8. er die nach den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union bei Wein geltenden Anforderungen für die Verwendung der Geschmacksangabe „trocken“ einhält,
  9. eine Geschmacksangabe nicht verwendet wird,
  10. er nicht vor dem 1. März des auf das Erntejahr der verwendeten Trauben folgenden Jahres an Endverbraucher abgegeben wird,
  11. eine Prädikatsangabe in der Kennzeichnung nicht verwendet wird.

Ergänzung 31.03.: Die Schutzgemeinschaften können eine Prüfungspflicht/Prüfungsordnung für die Ersten Gewächse festlegen (müssen aber nicht).

 

“Großes Gewächs”:

Die Bezeichnung „Großes Gewächs“ darf nur verwendet werden, wenn es sich um Qualitätswein der Weinart Weißwein oder Rotwein handelt und

  1. die Anforderungen nach Absatz 1 (Erste Gewächse) Nummer 1, 2 und 5 bis 9 und 11 erfüllt sind,
  2. die zur Herstellung verwendeten Weintrauben von Rebflächen stammen, deren Ertrag 50 Hektoliter pro Hektar, soweit die verwendeten Weintrauben von Steillagenflächen im Sinne des § 34b Absatz 1 stammen, deren Ertrag 60 Hektoliter pro Hektar an Traubenmost um nicht mehr als 10 % überschritten hat,
  3. die zur Herstellung verwendeten Weintrauben von Hand gelesen worden sind,
  4. er zum Zeitpunkt einer in der jeweiligen Produktspezifikation festgelegten gesonderten Prüfung, die nicht später als sechs Monate nach Zuteilung einer amtlichen Prüfungsnummer erfolgen darf, die besonderen gebiets- und rebsortentypischen sensorischen Merkmale aufweist und
  5. er nicht vor dem 1. September des auf das Erntejahr der verwendeten Trauben folgenden Jahres an Endverbraucher abgegeben wird. Für Rotweine verlängert sich diese Frist um neun Monate.

Ergänzend zu EG und GG: Den regionalen Schutzgemeinschaften kommt dabei die Aufgabe zu, die passenden Rebsorten, passende Anbauflächen oder höhere Anforderungen an ha-Erträge bzw. Mindestalkoholgehalte festzulegen.

 

Was bedeutet die Festlegung der Kriterien für ein „Erstes Gewächs“ und insbesondere für ein „Großes Gewächs“ künftig für die GG des VDP?

Die Weinkontrolle wird künftig ein Etikett mit „VDP.Großes Gewächs“ nicht mehr durchwinken, wenn es nicht den weinrechtlichen Kriterien für ein Großes Gewächs entspricht. Wenn es diesen entspricht, darf gem. §32b Abs. 5 der neuen Weinverordnung die verbandseigene Klassifikation weiter genutzt werden.

Die meisten VDP-Betriebe sollten auch keine Probleme haben, die oben genannten Kriterien  über zu erfüllen. Schließlich sind die verbandseigenen Kriterien enger gefasst.

 

Vier kleine, potentielle Fallstricke sehe ich aber:

  • Ein gesetzliches Großes Gewächs muss durch eine Prüfungskommission besonders abgenommen werden. Eine zweite Qualitätsweinprüfung quasi. Im Gesetz ist insbesondere von „besonderen gebiets- und rebsortentypischen sensorischen Merkmalen“ die Rede. Daher ist die wesentliche Frage, wie diese Kriterien in eine Prüfungsordnung aufgenommen werden. Hier und da habe ich meine Zweifel daran, dass es hier nicht zu Meinungsverschiedenheiten kommen wird. Der eine oder andere VDP-Winzer berichtet heute nach wie vor von Problemen in Qualitätsweinprüfungen gerade hinsichtlich Sorten- und Gebietstypizität.
    Ergänzung 31.03.: Ich hatte eine freundliche Diskussion mit dem Rheingauer Weinbaupräsidenten Peter Seyffardt. Sein Verband hat aktiv führend die Vorschläge zu EG und GG in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Er wies mich darauf hin, dass es ein wichtiges Anliegen gewesen sei, die bisherigen GG-Definitionen der Verbände wie z.B. VDP zu schützen und dass aus diesem Grund hier keine “doppelte” Prüfung vorgesehen sei, sondern der VDP hier weiterhin allein die Prüfung seiner GG vornehmen kann. Und ja, ich muss mich hier korrigieren: Zum Großen Gewächs oben unter 5. steht – im Gegensatz zu einem Beisatz zur potentiellen Prüfung zum Ersten Gewächs nicht, dass die Prüfung des GG zwingend im Rahmen einer Prüfungsordnung/-durchführung der Schutzgemeinschaft erfolgen muss. Daher ist der Tenor der Regelungen wohl so zu verstehen: Sofern kein offensichtlicher Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen besteht (z.B. das Thema Alkoholgehalt im übernächsten Punkt), gelten die verbandsinternen Regelungen von VDP (aber auch vom Bernkasteler Ring) weiter.

    Ist es mit dieser Regelung ausgeschlossen, dass es künftig doch zu entsprechenden Meinungsverschiedenheiten z.B. bezgl. sensorischer Gebietstypizität oder Lageneinschätzung gibt?
    Kurzfristig sicher, aber am Ende scheint mir die Formulierung in §32b Abs. 5 der Weinverordung (“Bestehende Bezeichnungen von Verbänden, die die Begriffe „Erstes Gewächs“ oder „Großes Gewächs“ enthalten, dürfen weiterverwendet werden, wenn sie die in den Absätzen 1 bis 4 genannten Mindestanforderungen erfüllen.”) doch eher weich, auch weil z.B. in Absatz 3 die sensorischen Merkmale durch die Schutzgemeinschaft festgelegt werden können. Hier kommt es daher ganz wesentlich darauf an, wie konstruktiv die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Interessenvertreter in den Schutzgemeinschaften funktioniert.
  • Ein gesetzliches Großes Gewächs muss aus einer Einzellage kommen. Damit müsste der VDP Mosel sich endlich bezüglich der VDP.Großen.Großlage Bernkasteler Badstube bewegen, sofern hier einer der Beteiligten auf die Idee käme einen trockenen Lagenwein zu produzieren (aktuell machts keiner, dafür müsste künftig auf den Süßweinen vor Badstube das Wort Region in gleicher Schriftgröße erscheinen).
  • Ein gesetzliches Großes Gewächs muss mindestens 12% Vol. Alkohol aufweisen (regional können auch engere (höhere) Anforderungen gestellt werden). Schätzels GG z.B. wären dann mit 11,5% schon mal raus.
  • Für ein gesetzliches Großes Gewächs können die regionalen Schutzgemeinschaften die Flächen, die für den Anbau solcher Gewächse verwendet werden dürfen, selbst festlegen. Was, wenn die Schutzgemeinschaft einen bisherigen VDP.GG Weinberg nicht oder nur als für ein erstes Gewächs klassifiziert?

 

Spannend wird’s auf jeden Fall, auch wenn bis incl. Ernte 2023 zumindest bezgl. Großem Gewächs alles beim Alten bleiben wird.

 

Beschlussprozesse des Bundesrats

Weinverordnung:

https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2021/0101-0200/0175-21.html

 

Weingesetz:
  1. Schritt
    https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2020/0401-0500/0487-20.html
  2. Schritt
    https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2020/0701-0800/0716-20.html

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