Ganz so wie der fiese Clickbaitingtitel war es dann doch nicht beim Vinocentral Weintreffen am Samstag in Darmstadt. Bemerkenswert ist es dennoch: Bei 17 deutschen Winzern (Weine 22 internationaler Winzer gab es zusätzlich zu kosten) und 82 gezeigten deutschen Weinen gab es „nur“ 24% Rieslinge, dafür aber eine sehr erfreuliche Silvanerquote 😉. Mir hat das wirklich gut gefallen. Auch abseits der deutschen Leitrebsorte gab es doch einiges Hervorragendes zu entdecken, da das Team vom Vinocentral eine äußerst spannende Winzerauswahl getroffen hat.
Entsprechend schwer fällt es mir, mich bezüglich Antrinktipps kurz zu fassen. Ich belasse es bei 5 besonders empfehlenswerten Betrieben, erwähnenswert wären noch einige mehr.
BurkhardtSchür:
Das fränkische Sekthaus ist nun wirklich kein Geheimtipp mehr, umso schöner war es, sich einmal durch 5 Kreationen des Hauses an einem Tag zu probieren. Die gezeigten Flaggschiffe Blanc de Noirs Brut nature und Blanc de Meuniers Brut nature spielen klar in der obersten Deutschen Sektliga mit.
Konni & Evi:
Naturwein aus Saale-Unstrut. Die vier gezeigten Weine zeigten alle eine klare Handschrift, sind hinsichtlich Phenolik und Aromatik auch stilistisch als Naturweine klar zu erkennen, sind dabei aber keineswegs effektheischerisch oder gar fehlerhaft.
Die durchaus kräftige Phenolik/Tanninstruktur ließ mich auch bei den vorher getrunkenen Konni & Evi-Weinen auf einen hohen Anteil Maischegärung schließen.
Da war ich allerdings auf der falschen Spur. Konni erläuterte, dass in der Regel mit moderaten Maischestandzeiten von etwa einem Tag gearbeitet werde, dafür aber der Most recht stark gepresst wird, sodass die Tannine auf diesem Weg ihren Weg in den Wein finden.
Antrinktipps: der 2021er Silvaner, der eine tolle lorbeerige Würze mitbringt und der 2020er Weißburgunder Ehrau, der sicher der eleganteste Wein der gezeigten Weine war und mit moderaterer Säure auch der beste Essensbegleiter. Leider wird es diesen Wein künftig nicht mehr geben, da der Weinberg durch extrem kalte Frostnächte mit Temperaturen unter -20° im Februar 2021 unwiederbringlich erfroren ist.
Michael Teschke:
Michael Teschke hat seinen Weinbau in Rheinhessen im Jahr 2021 aufgegeben. Wie schade das ist, hat sich am Samstag bei der Verkostung seiner mittlerweile passend trinkreifen Weine gezeigt. Gerade bei der Sorte Silvaner war Michael Teschke sicher mit führend in Rheinhessen. Insofern – schön, das noch etwas da ist.
Antrinktipps sind für mich daher auch alle mitgebrachten Silvaner, vom „einfachen“ (einfach ist bei Michael Teschke nichts) 2017er Silvaner Ohne Grenzen, über den 2017er Silvaner 19-29 bis zum Flagschiff, dem 2015er Silvaner Mission.
Weiser-Künstler:
Es hilft ja nichts, ohne Riesling komme ich hier doch nicht aus. Das macht aber nichts, denn die von Weiser-Künstler gezeigten Weine waren allesamt hervorragend. Zur Herausforderung des Nachmittags avancierte die Klärung der Frage, ob die 2019er Steffensberg Spätlese feinherb oder die 2020er Ellergrub Spätlese fruchtig besser zu den leckeren Panettone von Evvivo passt. Gewonnen hat der feinherbe Riesling. Das könnte eine großartige moselländisch-piemontesische Kooperation werden.
Weninger:
Schon allein für den Schwatz mit Franz Weninger hatte sich die Anfahrt zur Messe gelohnt. Einige seiner Weine kenne ich und ich mag seinen Stil sehr. Franz Weniger hat Weinberge vom Neusiedlersee bis ins Burgenland, nicht nur in Österreich, sondern auch in dem südwestlich vom See gelegenen Gebiet, das zu Ungarn gehört.
Die Weißweine des Tages kamen aus Ungarn, die roten aus dem österreichischen Burgenland.
Das es den Szürke es Feher MMXXI gibt, ist einem Problem bei der Anpflanzung des ungarischen Weinbergs 1999 zu verdanken. Weningers bestellten beim ungarischen Rebveredler Spätburgunder, entdeckten aber, nachdem die Reben erfolgreich angewachsen waren, dass sie nicht nur Spätburgunder, sondern auch rund die Hälfte Weißburgunder und etwas Grauburgunder bekommen hatten.
Mit dem Szürke es Feher sind seit 2021 alle drei Sorten des Weinbergs in einem Wein vereint. In der Maische des Weißburgunders werden die Ganztrauben des Grauburgunders und der Saft des Spätburgunders (quasi Blanc de Noire) gemeinsam vergoren. Heraus kommt ein feiner, frischer Orange-Wein mit fester aber nicht zu kräftiger Tanninstruktur. Den Vorgängerjahrgang noch ohne Spätburgunder hatte ich vor kurzem zu Spaghetti Vongole. Das passte sehr gut.
Bei den Blaufränkisch gab es mit dem 2018er Saybritz einen Wein zu verkosten, den ich noch nicht kannte. Die Lage Saybritz liegt im Südburgenland, weitab vom Neusiedlersee. Die eisenhaltigen Böden dort passen wunderbar zum Blaufränkisch und sie machen ihn ein Stück weit unverwechselbar. Südburgenland/Eisenberg war nach dem ersten Probeschluck sofort klar. Die tiefe, kühle fast blutige Mineralität war sofort da. Sehr schön.
Der 2017er Kalkofen Blaufränkisch wächst dagegen auf den Böden im Mittelburgenland, dazu in einer verhältnismäßig kühlen Lage. Damit hat er nicht die unverwechselbare Würze, ist leiser, aber dafür eine tolle Eleganz.
Kleine Ergänzung zum Schluss:
Das erste Mal auf so einer Veranstaltung gab es bei Bedarf zum Glas auch einen Becher aus schwarzem Kunststoff. Quasi einen Privatspucki. Eine großartige Idee vom Vinocentral Team und nachahmenswert für andere kleinere und mittelgroße Veranstaltungen, wo es nicht genug „Großraum-Spucknäpfe“ gibt. (hier gab es einen an zentraler Stelle zum Leeren der kleinen Privatspuckis). Natürlich gab es auch Näpfe auf jedem Winzertisch, aber je nach Besucheranzahl stehen sie ja oft im Gedränge eher ungünstig, um in Ruhe probieren zu können, oder sie sind just dann voll, wenn man zum Probieren vor dem Stand steht.
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