Früher oder später wird ein Weinfanatiker einmal einen Wein aus seinem Geburtsjahrgang trinken wollen. Wer jung seine Leidenschaft entdeckt oder vorausschauende Eltern hat, ist hier genauso im Vorteil, wie derjenige, der in einem der “Jahrhundertjahrgänge” geboren wurde. Die erstgenannten sind sogar doppelt im Vorteil, da sie wenig bis nichts für den Wein zahlen müssen, wohingegen der im Jahrhundertjahrgang geborene tiefer in die Tasche greifen muss. Aber auch er wird früher oder später an einem Wein seines Jahrgangs vorbei kommen. Weinfreunde, die in A**jahren geboren wurden haben es dagegen schwerer. Kaum jemand hat aus schwachen Jahrgängen Weine zurückgelegt und selbst wenn sind die meisten nach maximal 10 Jahren hinüber.
Da wir beide 1977 geboren wurden, hatten wir die die Hoffnung bereits aufgegeben, einen Wein aus unserem Jahrgang zu trinken. Optimistische Quellen nennen den Jahrgang mittelmäßig, pesssimistische schlecht mit Spätfrost und Regen. Und das quasi für ganz Mitteleuropa. Doch dann haben wir vor einigen Monaten im Webshop von Rot Weiß Rosé in Würzburg einen Champagner aus unserem Jahr entdeckt. Der Wein lag 44 Jahre auf der Hefe und wurde erst im März 2021 degorgiert. Preislich lag der selbstverständlich nicht in unserem üblichen Rahmen. Gemessen am Alter war der Preis für einen handwerklichen Champagner aus dem eher kleinen Haus Frédéric Thomas aber auch nicht unangemessen. Schließlich klickte die Mouse und die Lieferung war unterwegs.
Wir hätten jetzt diese rare Flasche für den besten Moment (Runder Geburtstag, Runder Jahrestag etc.) aufsparen können, haben wir aber nicht. Das empfehle ich grundsätzlich jedem, der nur selten rare Flaschen im Keller hat. Besser wird der Wein nicht, wenn er im eigenen Keller weiter lagert. Im Gegenteil, die Gefahr, dass er abbaut ist größer.
Die Verkostungsnotiz
Also haben wir uns entschieden, den Wein zu unserem diesjährigen (Vor-)Weihnachtsmenü zu trinken. Eigentlich keine Gelegenheit für eine Verkostungsnotiz. Die lag mir aber am Herzen und so habe ich diese zum Aperitif-Gläschen kurz niedergeschrieben:
Nase mit Brioche, Honig und Rosinen. Karamellisierte, intensive Walderdbeere, im Hintergrund etwas florale Noten.
Im Mund extrem saftig mit knackiger aber nicht spitzer Säure. Wieder Brioche, Vanille, im Hintergrund etwas gelber Apfel. Grünkräutrige bis grünholzige Noten. Kalkige Mineralität. Feiner Schmelz. Feine aber immer noch deutliche und sehr schöne Perlage. Recht langer, schöner Abgang. Überraschend bleibt Kakao und weniger überraschend Brioche am Gaumen.
Es war ein großes, einmaliges Erlebnis mit einem Wein der alles andere als müde oder alt war (halt genauso wie wir 🙂 )
Kein PGV, da Rarität
Achja, was gab’s dazu?
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