Ich geb es zu, hin und wieder schleiche ich in meinem heimischen Edeka beim Wocheneinkauf auch mal durchs Weinregal. Erstens, um mir das Elend der Standard-Edeka-Zentralbelieferung anzuschauen, aber auch, um mal zu gucken, was der Edekaner außerhalb des Standardangebots so zu bieten hat. Viel ist das nicht und bis auf eine Handvoll guter Orts- und Lagenweine auch eher schwierig. Letztens traf ich dort auf eine Flasche Silvaner aus Franken mit reißerischem „Kaufmichjetzt“-Etikett. Gekauft hab ich sie erstmal nicht, dafür aber erstmal gegoogelt, was hinter dem Weingut Obernbreit aus Ottenbreit (oder umgekehrt) steckt ;-).
Christian Ottenbreit ist der Winzer, der den elterlichen landwirtschaftlichen Mischbetrieb in Obernbreit zum Weingut machte. 2019 ist sein dritter Jahrgang. Holz und Spontangärung spielen in seinem Keller eine wichtige Rolle. Mein Interesse war geweckt.
In der nächsten Woche war der Silvaner im Einkaufswagen und kurz darauf im Glas:
2019er Marktbreiter Sonnenberg Silvaner, Sex & Rock’n Roll trocken
Durchaus ein Wow-Moment. Trocken, mit Zug, spürbarem, aber sehr schönen Holzeinsatz und toller Phenolik durch Teilmaischegärung. Ein vielschichtiger, eigenständiger und spannender Wein. Die Rebsorte und Region gab der Wein zwar eher nicht Preis, was aber bei Weinen abseits des Mainstreams ja nicht unüblich ist. Man kann ihm eine burgundische Stilistik unterstellen, auch wenn solche Vergleiche immer hinken. Die Flasche leerte sich ratz fatz.
In der nächsten Woche waren dann auch die beiden anderen Flaschen dieses „Trio Infernale“ dran:
2019er Scheu to the World Scheurebe trocken
Das war nicht minder spannend. Wieder wirklich trocken, etwas rauchig, etwas weicher und leicht fruchtbetonter als der Silvaner. Die aromatische Scheurebe war auf jeden Fall deutlicher zu erkennen. Auch hier abseits des Mainstreams ein toller Wein, von dem noch etwas in den Keller muss.
2019er Long Live Müller-Thurgau trocken
Das ich einen Müller kaufe hat Seltenheitswert. Weil ich die häufig plakative Aromatik der Rebsorte nicht so wirklich mag. Hier war ich diesbezüglich wegen der Silvanerstilistik entspannter. Holzeinsatz, Maischestandzeiten und Spontanvergärung „maskieren“ stark aromatische Rebsorten ja in der Regel ganz gut, sodass sie feiner, insgesamt zwar nicht leiser, aber stimmiger werden.
Genauso ist es hier geworden. Ein erwachsener Wein und nicht ganz so straight wie seine beiden Vorgänger. Der Müller ist deutlich, aber nur hinten am Gaumen mit leichten Rosen- und Muskatnoten zu erkennen. Da Aromatik der Rebsorte, der etwas stärkere Holzeinfluss und ein etwas geringer Säureeindruck zu etwas breiterem Körper führen, ist das ein prädestinierter Essensbegleiter.
Christian Ottenbreit ist da ein extrem gutes Trio gelungen, das auch stilistisch wie aus einem Guss erscheint. Das ist einfach auch ein tolles Beispiel dafür, was auch mit weniger Erfahrung so möglich ist im Weinbau. Immerhin ist es ja erst sein dritter Jahrgang. Und preislich ab Hof haben die Weine mit 11,00 – 13,00 EUR ein exzellentes Preis-/Genussverhältnis. Doch leider sind sie dort ausverkauft. (glücklicherweise hat mein Edekaner noch etwas im Regal 🙂 )
Das Weingut behalte ich auf jeden Fall im Auge.
Wernervino hat den Winzer übrigens vor Ort besucht. Das Interview könnt ihr Euch hier anschauen.
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