Klassiker des Deutschen Weins: Würzburger Stein Erste Lage 2020 vom Juliusspital

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Kommt das Gespräch auf die Weingüter Juliusspital oder Bürgerspital aus Würzburg kann ich nicht anders als Lob und Anerkennung auszusprechen:

  • Das Weingut Bürgerspital existiert als Teil der gleichnahmigen von Patrizier Johann von Steren gegründeten Stiftung bereits etwa seit 700 Jahren und bewirtschaftet ca. 120ha Weinberge.
  • Das Weingut Juliusspital gehört zur gleichnamigen von Bischof Julius Echter vor über 400 Jahren gegründeten Stiftung und bewirtschaftet 180ha Weinberge.
  • Beide Betriebe bilden einen wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Grundlage der gemeinnützigen Stiftungen, die sich um Krankenhausbetriebe und Altenpflege kümmern.

Für Weingüter dieser Größe (beide zählen zu den größten Weingütern Deutschlands) und zugrundeliegendem Konstrukt (eben kein privatwirtschaftlicher Betrieb) finde ich in einige Mitbewerber, die es nur leidlich geschafft haben, ihre Tradition angemessen zu pflegen und und heute nur noch ein Schatten ihrer selbst sind. Und genau da bin ich der Meinung, dass die Spitäler hier einen excellenten Weg gehen. Meine Weintrinker-Karriere dauert jetzt noch nicht Jahrzehnte, aber zumindest seit 2009 liefern beide Weingüter in jedem Jahr aus meiner Sicht hervorragende Qualitäten. Wer schon mal in den großen Kellern der Weingüter stand, erkennt auch dort, dass Tradition aktiv gepflegt wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Gütern in Deutschland baut man einen Teil der Weine weiterhin in großen Holzfässern aus. Die Anzahl der großen Fässer ist in beiden Kellern schlicht beeindruckend.

 

Große Tradition = Große Weine

Dass die großen Gewächse insbesondere vom Silvaner aber auch vom Riesling jedes Jahr zu den Top-Weinen der Region Franken gehören ist quasi selbstverständlich. Der “Signatur-Wein”, also die Visitenkarte der Häuser ist für mich aber stets die erste Lage. Nicht nur aus dem Würzburger Stein, aber aufgrund des ebenso traditionsreichen Weinbergs insbesondere aus dem Stein. Das sind ganz sicher Weine, die in nicht ganz kleinen Mengen produziert werden. Weine, die hier im Frankfurter Raum auch in gut sortierten Supermärkten zu finden sind. Und Weine, die immer unter 15 EUR gekostet haben (das Juliusspital liegt jetzt bei exakt 15 EUR), also erschwinglich sind.

In beiden Häusern werden die ersten Lagen spontan vergoren und im großen Holzfass ausgebaut. Und aus meiner Sicht sind sie bei Silvaner und Riesling jedes Jahr echte Preis-/Leistungsknaller. In keinem der letzten Jahre hätte ich hier unter 88 persönliche Gummipunkten vergeben. In einigen Jahren war ich klar bei 90-91 Punkten und damit im Prinzip auf GG-würdigem Niveau. Das ist für mich schlicht großartig und erlaubt das Prädikat “Klassiker”, insbesondere, wenn man die Strukturen der Häuser bedenkt.

Der eine oder andere fortgeschrittene Weinnerd mag jetzt einwenden, dass die Weine langweilig seien. Ich kann das schon nachvollziehen, denn es sind ruhige Weine. Und Klassiker sind selten moderne von neusten Einflüssen der Weinmakerszene beinflusste Tropfen, sondern eben verlässliche, aber dennoch sehr gute Weine.

 

Große Weine brauchen Reife

Hinzu kommt aus meiner ganz persönlichen Sicht, dass insbesondere die Silvaner häufig zu früh geöffnet und getrunken werden und zu wenig Luft bzw. Reifezeit bekommen. Denn nicht nur bei den Spitälern tut es gut, jungen Silvanern in einem eher klassischen Stil ein paar Jahre Zeit zu geben. Gerade im ersten Jahr fühlen sich die Weine häufig etwas parfümiert fruchtig an. Eine Richtung, die gar nicht so zum Silvaner passt. Ein oder zwei Jahre nach der Abfüllung hat sich das meist beruhigt und die mineralisch, würzige Seite kommt voll zum Vorschein. Aktuell zum Beispiel finde ich 2016 klasse, leider ist mein Keller da schon sehr geräubert.

 

Nach einer kleinen Onlinediskussion zum Thema Juliusspital war ich quasi genötigt 🙂 den aktuellen Jahrgang mal zu verkosten, Coronabedingt ergab sich da bisher leider keine Gelegenheit, also habe ich die Würzburger Steine hier vor Ort im Supermarkt gekauft und über mehrere Tage verkostet, um die Entwicklung ein bisschen absehen zu können.

 

Juliusspital, Franken – Würzburger Stein Silvaner Erste Lage 2020

Klassiker des Deutschen Weins: Würzburger Stein Erste Lage 2020 vom Juliusspital SilvanerTag 1:

Süßliche, ungewohnt fruchtbetonte Nase mit Birne, Apfel, Steinobst, Kräutern und etwas Schießpulver. Im Mund fest und kompakt, kandierte Zitrusfrüchte und Apfel, im Hintergrund Kräuter. Schöne Säure, die mit Luft aufblüht. Die innere Dichte lässt mehr vermuten, das mehr scheint aber wie zugedeckt und verborgen. Mit starker Mundbelüftung stellt sich etwas kalkige Mineralität dagegen.

Da ist das süße Fruchtphänomen des jungen Silvaner.

Tag 2:

In der Nase liegen die Kräuter und kalkig, hefigen Noten nun vorn, erst dann Birne und süßliche gelbe Steinfrucht, florale Noten und Schießpulver.
Im Mund sind die Zitrusfrüchte von gestern weniger kandiert, dazu mehr Birne als Apfel. Die Kräuter und kalkige Mineralität stehen nun gleichberechtigt zur Frucht. Die Säure ist sofort da. Klarer schöner Abgang.

Eine große Veränderung gegenüber gestern. Viel mehr Silvaner.

Tag 3:

In der Nase ist die Frucht zurück gegangen, auch Schießpulver ist weniger geworden, ansonsten gibt es wenig Veränderungen gegenüber gestern.
Im Mund jetzt alles schön aufgeräumt. Kräuter, Kalk, Birne, zitrusfrische Säure. Im Hintergrund dann noch die schmelzige, süße gelbe Frucht.

Der Abgang nun komplexer. Es bleibt kalkige Mineralität aber auch etwas süßliche Frucht.

Tag 4:

An Tag 4 tut sich nicht mehr viel. Im recht langen Abgang ist jetzt aber sehr viel Kalk. Dazu insgesamt noch etwas weniger Schmelz und Süße.

Wirkt an Tag vier damit am elegantesten. Der Wein hat seine Stärken gefunden, ich bin mir sicher, dass der Schmelz mit mehr Flaschenreife noch etwas weiter zurückgeht.

 

Juliusspital, Franken – Würzburger Stein Riesling Erste Lage 2020

Klassiker des Deutschen Weins: Würzburger Stein Erste Lage 2020 vom Juliusspital RieslingTag 1:

Kühle, gedeckte, hefige Nase, darunter steinige Mineralität und gelbe Früchte.
Im Mund schon deutlich offener. Recht dicht, knackige, mundwässernde Säure, süße gelbe Früchte, aber auch grüner Apfel und Zitrone. Etwas Hefe. Deutlich steinige Mineralität und eine Prise Salz.
Mittellanger, minimal süßlicher Abgang.

Im Mund damit schon deutlich “fertiger” als der Silvaner.

Tag 2:

Die Nase ist jetzt etwas offener, gelbe Frucht tritt in den Vordergrund, dazu Kalk, etwas Hefe und Tabak.
Im Mund ist die Säure etwas besser eingebunden, die gelben Früchte etwas weniger süß und reif. Der Wein hat an Zug gewonnen. Aromatisch sind aber nur mäßige Veränderungen gegenüber gestern festzustellen.

Tag 3:

In der Nase jetzt eine schöne kühle gelbe Frucht, kaum noch Hefe, dafür aber weiterhin Kalk und Tabak. Neu dazu kommen florale Noten.

Im Mund noch etwas weniger Süße und etwas mehr Zug.

Tag 4:

In der Nase wird die Frucht etwas dezenter und lässt noch etwas Platz für gewürzige Noten, die sicher auch bei Flaschenreife noch etwas dominanter werden. Im Mund wirkt der Wein nochmal deutlich kalkiger, kühler, straffer. Mehr Zitrus. Nochmal mehr Zug. Die süße gelbe Frucht findet sich nur noch leicht schmelzig im Abgang. Der fällt recht lang aus und viel kalkige Mineralität bleibt zurück.

Ich hätte nicht mehr damit gerechnet, dass an Tag 4 doch nochmal etwas mehr kommt, da der Wein ja schon zu Anfang deutlich fertiger und gefestigter wirkte als der Silvaner. Aber hochwertige Weine bieten halt immer Überraschungen.

 

Am Ende waren beide Weine auch nach vier Tagen nicht, jedoch die Flaschen leer. Auch das ist ein klares Qualitätsmerkmal. Für mich ist klar: Auch 2020 liefert das Juliusspital bei seinen Klassikern hervorragend ab. Beide Weine machen viel Spaß für überschaubares Geld und werden dem Ruf als Klassiker absolut gerecht.

Aber bitte lasst die Weine noch etwas im Keller.

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