Erlebe die Vielfalt und vertrau Deinem Geschmack – Edling, Hessische Bergstraße – Roßdorfer Roßberg Cabernet Sauvignon trocken 2010

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Hessische Bergstraße? Cabernet Sauvignon? Warum? Das wird doch nix!

Klar, das wären auch meine Reaktionen, würde ich einen solchen Wein im Onlineshop oder ohne Beratung im Handel finden. Kaufen würde ich ihn wahrscheinlich nicht. Dennoch sind vier Flaschen von diesem Wein vor einigen Jahren in meinen Keller gewandert.

So lange beschäftige ich mich noch nicht intensiv mit deutschem Wein, abgeschreckt von gruseligen Jugenderfahrungen. Doch irgendwann 2011 wurde mir bewusst, dass es in Fahrraddistanz von meinem Wohnort Weinberge gibt – Franken quasi fast vor den Toren Frankfurts beginnt. In den folgenden Jahren besuchten wir ein gut zu erreichendes Weingut nach dem anderen und erweiterten so den Radius. Da der Rheingau aufgrund der Erfahrungen nicht ganz oben auf meiner Liste stand, waren das Betriebe in Franken (Alzenau, Churfranken), an der Hessischen Bergstraße und in Rheinhessen. Häcker- bzw. Straußwirtschaften und Gutsauschanke standen ganz weit oben. Passt ja auch gut an einem Sonntag: Spaziergang durch Weinberg oder Dörfchen und dann Wein und deftiges Essen.

In der überwiegenden Anzahl der Fälle kamen wir sehr zufrieden von einem solchen Ausflug zurück. Das Essen meist einfach aber gut, die Weine mal einfacher, mal spannender, aber immer passend zum deftigen Essen. Im Weißwein-Segment fanden wir so auch schnell zuverlässig gute Erzeuger, wo es sich auch lohnte, einige Flaschen mit nach Hause zu nehmen. Im Rotweinsegment war das schwieriger. Im Wesentlichen deswegen, weil ich mit kräftigen Südrotweinen meinen Geschmack kalibriert hatte, so dass es schwierig für den Spätburgunder war.

 

Neue Rotweinerfahrungen an der Bergstraße

Irgendwann googlete ich bei der Suche nach einem neuen Ausflugsziel das Weingut Edling. Der Betrieb macht Wein in einem Ort, wo man keinen Weinbau erwartet. So richtig kann man die Lage in Roßdorf östlich von Darmstadt weder der klassischen, zum Rheintal zugewandten Bergstraße zuordnen, noch der „Odenwälder Weininsel“ rund um Groß-Umstadt. Da die Familie Edling weit und breit den einzigen Weinbaubetrieb besitzt, ist die Lage Roßdorfer Roßberg auf Löss/Lehm und vulkanischem Basaltuntergrund auch eine Monopollage mit etwa 5ha.

In der Häckerwirtschaft tranken wir dann ein paar dichte rote Weine, die uns sehr überraschten. Kein „dünner“ Spätburgunder, keine „kratzige“ Domina, wie wir sie aus Franken kannten, sondern warm, weich, durchaus vom Holz geprägt. Vom Cabernet Sauvignon war ich schlichtweg begeistert. Am Ende nahm nahmen wir ein paar weiße und rote Weine mit, aber auch eine Flasche vom Cabernet-Flaggschiff. Damals für sagenhafte 15,50 EUR. Abgesehen von ein paar Amarone wahrscheinlich damals der teuerste Wein in unserem Keller.

Anlässlich eines kleinen, schönen Adventsmarkts besuchten wir das Weingut ein halbes Jahr später wieder, auch weil ich diesen Wein immer noch im Hinterkopf hatte. Ich hatte dort die Gelegenheit mit Seniorchef Werner Edling ein paar Worte zu wechseln. Quasi ein Musterwinzer stand da vor mir. Groß, breitschultrig, große Hände. Ich sprach ihn auf seine Rotweine an und er erzählte über Langlebigkeit und mit leuchtenden Augen darüber, dass erst vor kurzem im Familienkreis wieder ein paar gereifte Weine geöffnet wurden bei denen sich langes Warten gelohnt hat. Zack war es passiert. Ich konnte nicht anders. Drei weitere Flaschen 2010er landeten im Keller.

Erstmal ließ ich die Flaschen liegen, um ihnen Reife zu gönnen und erweiterte sukzessive meinen Weinhintergrund auch über die Häckerwirtschaftsbesuche hinaus. Er war auch schon lang nicht mehr der teuerste Deutsche in meinem Keller. Meine Liebe zum Spätburgunder erwachte und immer, wenn ich den Wein im Keller sah, ließ ich ihn liegen. Jedes Mal mehr aus Angst davor, enttäuscht zu sein, weil sich mein Geschmack gewandelt haben könnte und weil Cabernet und Bergstraße ja eigentlich nicht geht.

 

Der Wein

Erlebe die Vielfalt und vertrau Deinem Geschmack – Edling, Hessische Bergstraße – Roßdorfer Roßberg Cabernet Sauvignon trocken 2010Erst vor kurzem traute ich mich die erste der vier Flaschen zu öffnen. Ganz vorsichtig nahm ich den ersten Schluck. Große Erleichterung stellte sich ein: Es ist Verlass auf meinen Geschmack – Der Wein schmeckt gut! Und Edling-Senior hatte Recht, auch die Reife tat ihm gut, ruhiger ist er geworden, als ich ihn in Erinnerung hatte, alt ist er definitiv noch nicht.

In der Nase nach Bitterschokolade, Kaffee, Vanille, gerösteten Walnüssen. Dazu Brombeer- und Kirschkompott, Karamell. Getoastetes Holz, ins rauchige gehend.

Im Mund kühler, als die Nase vermuten lässt. Wenig Frucht, am ehesten etwas Süßkirsche. Winterliche Würze nach Zimt, Vanille, Piment, Anis. Fermentierte Kakaobohne. Etwas grüne Paprika. Schöne Säure. Ganz mürbes, feines Tannin. Immer noch recht deutlich getoastetes Holz.

Mittellanger, ganz leicht antrocknender Abgang.

Mein Vergleich mit anderen reinsortigen Cabernet Sauvignons ist sehr begrenzt, da Spätburgunder und Blaufränkisch meine Favoriten geworden sind. Daher kann ich neutral schlecht einwerten wie viele Punkte der Wein verdient hat, das will ich aber auch nicht. Der Gault-Millau hat seinerzeit 85 Punkte gezückt. Für mich ganz persönlich unter dem Eindruck der Geschichte des Weins sind es auf jeden Fall ein paar mehr, auch wenn das eingesetzte Holz immer noch sehr präsent ist.

 

Die Moral von der Geschicht’

Erstens: Vertraue auf Deinen Geschmack. Es funktioniert häufiger als Du denkst.

Zweitens: Geh in die Region: Suche Dir die nächste oder die schönste Weinbauregion aus und fahr dort hin. Über mehrere Jahre, als Tagesausflug oder Weinurlaub. Probiere nicht nur die BlueChips, die in Handel und Medien bekannt sind, sondern auch die kleinen versteckten Betriebe. Die Vielfalt ist riesig im deutschen Weinbau. Das kannst Du nicht bei allen Regionen tun, dazu reicht die Zeit nicht. Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, sich zu fokussieren. Es ist eine Menge los in Deutschlands Weinbergen. Betriebe wechseln den Besitzer, Quereinsteiger kommen dazu. Die nächste Generation der Weinmacher gelangt ans Ruder. Besser ausgebildet als die Väter. Häufig mit klaren Zielen.

Du wirst gute und weniger gute Weine kennenlernen. Bei den besonders Guten wirst Du besonders überrascht sein, weil Du mit weniger hohen Erwartungen an die Sache herangegangen bist, als beim Besuch der Jahrgangspräsentation eines VDP-Spitzenweinguts. Und wenn Du mit offenen Augen und Ohren agierst, wirst Du tolle Gespräche mit motivierten Menschen haben, viel Neues lernen und diese Geschichten und Erfahrungen mit den Weinen mit nach Hause nehmen.

Ich mache das weiterhin mit Fokus auf Franken zwischen Alzenau und Bürgstadt. Aber auch nach Roßdorf muss ich wieder mal!

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