Benzinger, Pfalz – Orange Premier, Second, Troisieme 2017 – Ein Naturweinexperiment

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Benzinger, Pfalz - Orange Premier, Second, Troisieme 2017 - Ein Naturweinexperiment 1Naturwein ist eine Machart von Wein, die nicht genauer weinrechtlich definiert ist. Entsprechend bunt ist mittlerweile das Angebot von Weinen, deren Entstehungsprozess von Menschenhand mehr oder weniger Intensiv beeinflusst wurde. Mindestens genauso breit ist das geschmackliche und qualitative Spektrum. Dabei gilt die Besonderheit, dass Teile der Naturweinszene relativ tolerant bezüglich herkömmlich als Weinfehler bezeichneten Aromen sind.

Volker Benzinger ist sowas wie ein Naturwein-Hardliner. Ein Mann mit klaren Vorstellungen darüber, wie sich Naturwein definiert. Biologische Bewirtschaftung der Weinberge, viel Handarbeit, Zeit und absolut schonendste Behandlung im Keller. Zusatz von Hefe, Schwefel oder Schönungsmitteln ist tabu. Seine Naturweine werden ausschließlich unfiltriert gefüllt. 

Dabei ist es Volker Benzinger besonders wichtig zu betonen, dass seine Weine ungeschwefelt sind. Insbesondere in diesem Punkt gibt es unter Naturweinwinzern nämlich unterschiedliche Auffassungen. Für Volker Benzinger ist der Verzicht auf Schwefel ein wichtiger Aspekt von Naturweinen. Sie sollen über die Zeit im Keller ihr eigenes Gleichgewicht finden. Volker Benzinger ist sich sicher, dass sie auch so die notwendige Stabilität für einige Jahre Flaschenreife bekommen. Außerdem können so selbst offene Weinflaschen über eine ganze Weile getrunken werden, ohne dass sie wie herkömmliche Weine oxidieren. 

Den ersten Punkt kann ich bestätigen. Aber bei uns bleiben Benzingers Naturweine nie lang genug offen, um den zweiten Punkt nachvollziehen zu können. Sie sind stets so gut, dass sie viel zu schnell getrunken werden. Volker Benzinger ist nämlich auch ein Qualitätsfanatiker. In mancher Hipster-Bar mögen seine Naturweine daher manchmal zu brav erscheinen. Ich empfinde das anders, spannende Weine definieren sich nicht über lautstarke (Fehl-)töne. 

 

Orange=Naturwein?

Bei einem Besuch und einer Verkostung seiner Kollektion sind wir vor einiger Zeit auch auf seine Orange-Wein-Trilogie gestoßen, die uns sofort begeistert hat.

Naturwein ist nicht mit Orange-Wein gleichzusetzen. Orange-Wein ist Weißwein, der aber wie ein Rotwein auf der Maische, d.h. den Traubenschalen vergoren wird. Entsprechend sind Orange-Weine auch tanninbetonter als normale Weißweine, da sich die Bitterstoffe aus den Schalen genau wie bei Rotwein auch in den Wein gelöst haben.

Somit kann ein Orange-Wein ein Naturwein sein. Er kann aber auch ganz konventionell produziert werden. Bei Volker Benzinger sind die Orange-Weine Naturweine. Er hat aber ebenfalls Naturweine in seinem Programm, die ohne Maischegärung hergestellt wurden. 

Bei den drei Orange-Weinen, handelt es sich im Prinzip um ein Experiment, um herauszufinden, welchen Einfluss die Behandlung der Maische im Weinwerdungsprozess hat.

 

Wie wurden die Weine gemacht?

Für alle 3 Weine wurde ein Silvaner geerntet und die Trauben in 600l Boxen auf der Maische vergoren. Während der Gärung wurde der auf dem Bottich schwimmende Trester ein Mal pro Tag manuell heruntergedrückt. Nach ca. 4 Wochen, als die Gärung abgeschlossen war und der Trester sich unten in den Boxen absetzte wurde zunächst einfach der Saft abgezogen. So entstand der Premier.

Anschließend wurde die verbliebene Maische (Restsaft und Trester) über ein Förderband (also nicht gepumpt!) in die Presse gefüllt. Dabei wurde weiterer Saft frei, der direkt ohne Pressvorgang aus der Presse lief. Das war dann der Second. 

Für den Troisieme schließlich wurde der Rest der Maische gepresst.

Alle 3 Weine kamen dann in kleine Eichenfässer und durften bis zum Juni des Folgejahres reifen. In dieser Zeit wurde die Hefe in den Fässern einmal pro Woche aufgerührt und die Weine machten eine malolaktische Gärung durch. Diese ist dafür verantwortlich, dass im Wein natürlich vorhandene Apfelsäure in milder schmeckende Milchsäure umgewandelt wird. Jeder Wein tendiert dazu, die malolaktische Gärung von selbst zu beginnen, bei Rotweinen möchte das der Winzer auch auf jeden Fall haben, bei klassisch ausgebauten Weißweinen soll diese Gärung aber in der Regel nicht stattfinden, da sie den Säureeindruck eben verändert und der Wein Spritzigkeit verliert.

Bei Naturweinen dagegen ist die malolaktische Gärung auch beim Weißwein erwünscht, da sie den Wein weiter stabilisiert und schwer zu verhindern ist, ohne die Pfade des Naturweins zu verlassen.

Schließlich wurden die Weine dann im Juni schonend per Luftdruck aus den Fässern gedrückt und unfiltriert abgefüllt.

 

Zusammengefasst heißt das:

In allen Flaschen ist der gleiche Wein, lediglich der Umgang mit der Maische ist ein anderer. Damit variiert der Anteil der bei der Gärung aus den Traubenschalen ausgelösten Stoffe und angefallenen Feststoffe in den 3 Weinen.

Somit war klar, dass wir dieses Experiment auch zuhause insgesamt einmal vergleichend verkosten wollten. Daher haben wir die 3 Flaschen über 2 Tage beobachtet.

 

Benzinger, Pfalz - Orange Premier, Second, Troisieme 2017 - Ein Naturweinexperiment 22017er Orange Premier (Ca. 15,00 EUR):

Der Wein hat eine gewürzige Nase mit vielen Kräutern, Hefe und eine leicht apfelmostige Fruchtnote.

Im Mund ist der Wein kühl und wieder sehr kräutrig. Man schmeckt Gewürze und Lorbeer, ganz feines, etwas hefiges Tannin und eine klare feine Frucht mit Äpfeln und roten Beeren. Dazu ein Hauch grünes Holz und eine knackige, frische Säure.

Recht langer, klarer Abgang, die Würze bleibt.

Am zweiten Tag war dann auch die Apfelmostnote aufgeklart, ansonsten hatte sich der Wein genau wie die beiden anderen nicht wirklich verändert.

 

Benzinger, Pfalz - Orange Premier, Second, Troisieme 2017 - Ein Naturweinexperiment 32017er Orange Second (ca. 15,00 EUR):

Deutlich wärmere, süßlichere Nase, mehr dunkle Würze als grüne Kräuter, mehr rote, reife Beeren als grüne Äpfel.

Im Mund wie der Premier kühl, hefig, kräutrig, gewürzig. Beim Second tritt die Frucht aber weiter in den Hintergrund, die Säure wirkt – vermutlich durch die weiter feinen, aber kräftigeren Gerbstoffe – etwas gepufferter.

Im recht langen Abgang wieder würzig aber eine Spur süßlicher und voller als der Premier.


Benzinger, Pfalz - Orange Premier, Second, Troisieme 2017 - Ein Naturweinexperiment 42017er Orange Troisieme (ca. 18,50 EUR):

Der Wein wirkt in der Nase wieder etwas kühler und kräutriger mit etwas hellerer Würze.

Im Mund sind die Kräuter nur noch im Hintergrund präsent. Die Tannine sind weiterhin fein, aber deutlich Intensiver und leicht antrocknend am Gaumen. Zudem bringen die Tannine und Hefereste eine kühle, kalkige Note ins Spiel, die wahrscheinlich auch die gewürzigen und fruchtigen Noten weitgehend überdeckt. Die Kalkigkeit bestimmt hier auch den Abgang, der beim Second noch von der Würze bestimmt ist.

 

Was sind denn nun die Erkenntnisse:

Aus der Weinnerd-Sicht ist es spannend zu schmecken, welchen Einfluss die Tannine und vermutlich auch die toten Hefen auf das Geschmacksbild haben. Auf der einen Seite lassen sie die Säure etwas milder erscheinen. Auf der anderen Seite hellen sie dann mit zunehmender Intensität das Geschmacksbild doch wieder auf und überdecken andere geschmackliche Nuancen.

Aus der Sicht des interessierten Trinkers würde ich sagen, dass der Premier der ideale Sommer-Orange ist, der sich bestens solo auf der Terrasse oder als Aperitiv trinken lässt, sofern der Trinker sich auf die knackige Säure mit der apfeligen Frucht einlassen kann. Für mich ist der Wein bezüglich Säure aber an der Obergrenze. Immer dann, wenn es tanniniger und würziger wird, finde ich ganz persönlich einen nicht allzu kräftigen Säureeindruck harmonischer. Daher bin ich auch kein großer Riesling-Orange-Freund. Aber das ist ganz sicher Geschmacksache.

Der Second ist ein Multifunktionswein. Er ist aus meiner Sicht der Balancierteste, mit dem schönsten Aromenspektrum. Durch die dunkle Würze macht der Wein sich auch zum Essen viel Spaß – z.B. zum gegrillten Fleisch.

Der Troisieme ist mit den kräftigen Tanninen sicher der Wein der am meisten polarisiert. Als Solist ist er dafür für mich etwas zu tanninig, zum Essen aber genauso eine Empfehlung wie der Second.

Insgesamt sind die drei Weine ein tolles Beispiel, wie stark kleine Stellschrauben einen Wein verändern können. Ein spannendes Experiment!

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